Freitag, 27. März 2020

CORONAVIRUS DIARY HOMEOFFICE Nähe und Distanz im Team






Also, die Köstlichkeiten in diesen Zeiten von Stunde zu Stunde, Tag zu Tag, sind zuweilen erheiternd, und Humor brauche ich tatsächlich mehr als vieles andere.
Auch im Beruf ändert sich bei uns alles von Tag zu Tag. Haben wir bisher in vierer Teams gearbeitet, wurden wir jetzt aufgefordert, so klein wie möglich zu denken. Zweierteams. Damit im Notfall, also der Quarantäne einer Kollegin noch genug andere Teams arbeitsfähig sind. Durchaus sinnvoll. So entstehen Beziehungsbildungen, die noch vor zwei Wochen NIEMAND NIEMALS in Erwägung gezogen hätte.
Als Therapeutinnen kennen wir uns im Team ganz gut. Wir können einander einschätzen. Das bringt natürlich unser Beruf mit sich. Schön an meiner Sparringspartnerin ist ihre Ruhe, ihre Abgeklärtheit, wir haben auch sonst in unserem Alltag die eine oder andere Pause miteinander verbracht. Wir sind gleichaltrig, sie ist DDR sozialisiert und ich Westberlinerin. Das ergänzt sich gut. Sie bringt sich in der Regel wenig aktiv in den Vordergrund, beobachtet und wägt ab und ist es gewohnt, sich nur in starker Auseinandersetzung und der Not sich doch für etwas zu engagieren zu positionieren. Das hat in großen Teams durchaus etwas aus gleichendes. Ich bin ja eher dominant aktiv unterwegs und Position ergreifend, das ist mir selbstverständlich. Meine Kollegin hat etwas strukturloses verstreutes, wozu sie auch steht, was ich immer  liebenswert finde, während ich strukturell  aufgestellt bin und auch Neues damit gerne bediene.  Es ist gut zu wissen, dass wir einander für diese Gegensätze schätzen.
Solche Zeiten fordern uns alle heraus und so kam sie plötzlich gestern zu mir ins Büro und machte einem Unbehagen Platz. Sie kam,mich darum zu bitten, ob ich für den Zeitraum dieser Coronakrise den persönlichen direkten Kontakt zu meinen Freundinnen unterlassen könnte. Es wurde sehr still. Mir stockte der Atem und sie atmete angesichts ihrer Forderung auch kaum noch. "Weiteratmen" sagten wir beide wie aus einem Mund und lachten erleichtert auf. (Das vergaß ich zu erwähnen, sie hat wie ich auch eine zusätzliche Körpertherapieausbildung gemacht.) Es berührte mich und dennoch wäre ich fast abweisend geworden, bis mir deutlich wurde, dass wir hier in einem Angstareal fischten. So fragte ich nach und erfuhr, dass sie schon seit zwei Wochen ohne persönlichen Kontakt nach draußen lebte. Kein Enkel, keine Tochter, keine Familie.Partner gibts nicht. Aber sie geht spazieren, wie ich auch  und macht ebenso den Arbeitsweg mit öffentlichen Verkehrsmitteln.
Es ist auch ein Witz des Zeitmoments, dass sie, die sie bekennend beziehungsfremdelnd ist und ich, die ich bekennend beziehungsfreundlich bin miteinander jetzt so fast emotional intime Momente miteinander erleben und verhandeln. Als ich das aussprach, lachten wir beide und gleichzeitg begannen wir zu weinen.
Wir vereinbarten miteinander, dass wir, wie bisher jeweils privat unabhängig bleiben könnten und selbstbestimmt miteinander arbeiten , unseren Kontakt vor Ort im Zweierteam streng nach hygienischen Masstäben verbringen würden und in Pausen zukünftig einen großen Raum auswählen könnten, um zusammen und gleichzeitig im gehörigen Abstand zu sein und essen zu können. Wir lieben ähnliche Nahrungsmittel, das ist auch wichtig und trägt zum Klima bei.
Aus solchen Gesprächen geht jede dünnhäutiger raus als rein und später werden wir uns freuen, es so gut gemacht zu haben und miteinander so behutsam und doch fordernd ins Benehmen gekommen zu sein. Aber wir sind erst am Anfang.

Und nun zum Schluss noch ein Gedicht, das ich 2012 in einem Wochenkalender von Jokers veröffentlichen durfte und das den Kalender auch eröffnete. Ich finde es passt grade, es ist vielleicht die Geburtstunde anderer Verhältnisse.

geburtstag

dem himmel auf erden
einen schneid abkaufen
im leben liebend
am atem ersaufen
den kopf auf der sonne
die augen im mond
alleine schon dafür
hat´s sich gelohnt

2012 ute braun / Jokers edition

Auf das Leben mit allen Herausforderungen, die uns stärken werden.

Und zum Schluss, wie jetzt immer, eine Erinnerung an Nähe 



4 Kommentare:

  1. Die Empfehlung der Schweizer ist der Hammer :)Wie geht eigentlich auf der Tastatur der tränenlachende Smiley??? ;)

    Ansonsten.....jaaaa schwere Zeiten für ganz viele, schwieriges Miteinander teilweise, schwierige Entscheidungen. Aber bei euch beiden mache ich mir keine Sorgen! Alles Liebe - Herz-küssender Smiley ;)

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    1. Liebe Hanne, ich kenne mich auf der Tastatursmilyebene gar nicht aus, schade nicht wahr, aber DU beschreibst es doch, das ist viel herzlicher und danke für Deine Ermutigung fürunsere Zusammenarbeit. Ich schicke Dir auch den Herzgrußsmily und finde es so schön, dass Du auf dem anderen Post das nochmal erwähnt hast mit den Worten. Ich hatte diesen Post in dem ich die Kürze erwähnt habe, dann rausgenommen, weil ich ihn der Frau selber zugesandt habe. Liebe Grüße Ute

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  2. das ist ja zum lachen wirklich!
    Gut dass ihr so offen seit miteinander und Rücksicht nimmt, ihr passt gut zusammen und mal sehen wie es weiter geht danach wenn es anders wird mit der Sperre!
    *Weit weg und doch so nah Gefühlsmässig*
    Lieben Gruss Elke

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    1. Stimmt Elke, in diesem Berufsfeld gibt es viel Offenheit, das ist anderenorts nicht so, das ist ein Geschenk, was wir uns ja auch machen können und unseren Klientinnen auch.Danke für Deine gefühlsmäßige Nähe, gleichfalls und gehabe Dich gesund, liebe Grüße Ute

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