Montag, 11. November 2019

WONDERSTORIES GUTE GEISTER zu 30 Jahre Mauerfall


Engel am Rande des Kartoffelackers, an dem wir saßen


Ich hatte zum Jahrestag 30 Jahre Mauerfall Dämonen erwartet und gute Geister flogen vorbei. 
Tote sind zwar tot, aber ihre Kraft und ihr gelebtes Leben hinterlassen zarte oder aber auch kraftvolle Spuren und nichts, aber auch gar nicht geschieht zufällig. Eher falle ich zu oder etwas fällt mir zu, das jedenfalls ist meine Erfahrung. In der Zeit der durchlässigen Nebelebenen zwischen uns mir und der Anderwelt geschehen vielleicht sogar viel mehr Begegnungen dieser Art.
Seit Anfang dieses Jahres begleite ich im Rahmen meiner Arbeit eine Frau, 47 Jahre alt, DDR sozialisiert auf ihren Routen zurück in irgendwie geartetes Erwerbsleben.  Wir waren uns schnell sympathisch und das Vertrauen in unserer beider Fähigkeiten wuchs gleichmäßig und fruchtbar. Am 8. November saßen wir am Rande eines Kartoffelfeldes auf dem Ökohof, wo sie arbeitet. Wir unterhielten uns über das große Bohei in Berlin zu 30 Jahren Mauerfall und begannen langsam unsere dreissig Jahre auszubreiten. Plötzlich fragte ich sie nach ihrem Alter und sie nannte es. Dann schob sie freundlich hinterher, dass sie genau heute auch Geburtstag habe. Meine Großmutter, hätte sie noch gelebt, hätte am selben Tag gefeiert.  Das alles entfaltete sich so zwischen uns und plötzlich wurde ich gewahr, dass mein Vater am 10. November auch 85 Jahre geworden wäre. Sie stellte die Frage, was er beruflich so gemacht habe und ich zeigte seine Biografie auf.  1953 hatte er seine erste Anstellung in der Staatsoper angetreten. Drei Jahre später dann  gab es das ungeheuer einmalige Moment, dass bei den Berliner Philharmonikern genau diese Stelle ausgeschrieben wurde, mit dem Zusatz 1. Fagott und damit auch Solist. Ich war grade geboren, Fagott Stellen sind immer schon rar gewesen und meine Eltern einigten sich darauf, dass er vorspielen sollte. Damit war ganz klar ein Umzug in den westlichen Besatzungssektor verknüpft und alles mußte ja heimlich gehen, wenn es klappen würde.
Es war, wie es war, es klappte, mein Vater wurde genommen.
Und jetzt kommt`s. Meine Klientin schaute mich fassungslos an. Und erzählte ihren Beitrag zu dieser Geschichte:
„ und mein Vater hatte das große Glück, dass Deiner rübermachte und hat seine Stelle bekommen.“
Sie nannte seinen Namen und ich wusste, ich kenne ihn auch.
Wir fingen an zu weinen, ich weil mein Vater tot war und dass der ihre wieder so in mein Leben trat, sowie er als Kind schon Teil unseres Lebens gewesen war. Sie, weil sie überhaupt nicht fassen konnte, dass wir diese Geschichte glücklicher Weise endlich zwischen uns entdeckt hatten und dies doch gar nicht so selbstverständlich war.
Das war unser Geschenk zum 9.11.2019.Und wir begannen Frieden zu finden mit diesem Datum und eine eigene Feierstimmung in uns zu entwickeln.
Wir werden es hegen und pflegen.
So entstehen oder wachsen Freundschaften und alte Linien werden fortgezogen im Reich der Geschichten.


3 Kommentare:

  1. ich sitze da und staune ....was eine berührende Geschichte!!!
    Es sollte so sein dass ihr euch so gefunden habt!
    Herzlichen Gruss Elke

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  2. Was für eine intensive Geschichte wieder! Unglaublich und doch wahr! Sowas denkt sich nur das LEBEN aus.....Vielen Dank, liebe Ute :)

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  3. Das ist ja eine tolle Geschichte. Bin ganz berührt.
    Ahoi
    Oona

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