Sonntag, 26. Januar 2020

WONDERSTORIES/Frauenpower/manspreading




WONDERSTORIES/POWERFRAUEN des Monats
Jede Frau kennt das aus ihrem Alltag in den öffentlichen Verkehrsmitteln. Männer nehmen selbstverständlich mehr Platz ein als räumlich vorgegeben. Männer sitzen ganz anders da. Sie stellen ihre Beine weit auseinander, und nehmen sich den Raum, von dem Sie erfahrungsgemäß gelernt haben, dass er ihnen zusteht.
Ich nehme mir auch den Platz, den ich brauche. Mir steht genug Platz zu, dafür habe ich im Leben viel getan. Ich finde das auch richtig. Dennoch gibt es einen feinen Unterschied: ich schaue, wer neben mir sitzt und ich achte auf den Platz und die vorgegebenen Grenzen. Manchmal sitzt eine Frau da und hat ihr Gepäck neben sich gestellt und blockiert den Nebenplatz. Wenn es genug andere Sitzangebote gibt, warum nicht, sie will halt in diesem Moment alleine sitzen. Es macht mir aber auch keine Mühe, um den Platz zu bitten, wenn es der einzig freie wäre.
Vor wenigen Tagen machte ich eine bisher einmalige Erfahrung.
Ich saß in einem Viererabteil am Fenster in Fahrtrichtung und las ein Buch. Eine junge Frau setzte sich mir an einer daraufolgenden Stationen gegenüber, auch am Fenster. Dann stieg ein älteres Paar ein, er setzte sich breitbeinig neben sich, berührte aber meine Beine noch nicht, seine Gefährtin setzte sich ihm gegenüber. Sie diskutierten ein Thema kontrovers und ich merkte, dass sie das gewohnt waren und sich fair auseinandersetzten. Plötzlich ging mir aber seine Nähe, die er überhaupt nicht registrierte, auf den Geist. Seine Bein kam meinem immer näher und auch sein ganzer Körper plusterte sich auf. Ich hätte meine Beine zusammenstellen müssen, mich einschränken, das tue ich in solchen Situationen generell nicht mehr. Ich überlegte schon, dass ich ihn ansprechen würde, als seine Gefährtin ihn plötzlich anschaute, dann meinen Raum sah und sie sagte zu ihm ruhig und dennoch für uns vier hörbar:
Du läßt der Frau neben Dir keinen Platz. Du breitest Dich sehr aus.
Ich war überrascht und aber auch erfreut. Die junge Frau neben ihr warf in die Runde:
Dafür gibt’s einen Begriff, manspreading. Sie machen sich unten herum breit.
Ich dachte, bow, was für eine tolle feministische Intervention, wo bin ich denn hier gelandet! WOW!
Die ältere erwiderte ihr, ja den kenne ich und ich kann es auf den Tod nicht ab, wenn mir das geschieht.
Er hatte sich mittlerweile zurechtgerückt und entschuldigte sich bei mir, dass er das nicht gewollt habe, aber auch alles ganz ruhig. Er setzte sich mehr nach außen und behielt die Beinbreite bei, aber eben in den Gangbereich hinein. Ich bedankte mich bei allen, auch bei ihm und seine Gefährtin fuhr dennoch unbeirrt fort:
Hast Du das überhaupt gemerkt? Hättest Du überhaupt darauf geachtet? Sie hätte wirklich aus dem Fenster gehen müssen.
Er blieb ruhig und erwiderte, dass er darauf tatsächlich nie achten würde in den Bahnen. Er schaute mich an und fragte, ob ich was gesagt hätte andernfalls.
Ja, erwiderte ich, aber mich würde es mittlerweile auch nerven und ich wünschte mir da generell mehr Vorsicht und Aufmerksamkeit im Umgang.
Und dann fingen wir Frauen uns natürlich an zu erzählen, was Männer in der Regel auf noch so freundliche Ansprachen von Frauen so von sich gaben.
Er grinste und antwortete ziemlich ehrlich, dass er sich das gut vorstellen können, was wir da so erlebten. Ich gebe das nicht wieder, denn Ihr kennt das alle.
Ich musste dann raus und er stand auf, damit ich freie Bahn hatte.
Ich schaute ihn freundlich an und sagte:
Wenn sie mal alleine fahren und eine Frau äußert sich, vielleicht könnten Sie dann derjenige sein, der sie unterstützt?!
Er wog bedächtig den Kopf. Den Frauen dankte ich und sagte ihnen, dass sie an diesem Tag meine Heldinnen waren, denn das vor mir innerhalb einer Partnerschaft die Frau mein Recht erkämpft, so ruhig und bestimmt, hatte ich noch nie erlebt.
Die junge Frau lächelte ich an, es war doch toll, dass sie mitgemacht hatte mit manspreading.
Theese Woman made my day, and he did his best too.
Ich nenne das mal eine Wonderstory.



Das beste Buch ever dazu:
Marianne Wex
"Weibliche" und "männliche" Körpersprache als Folge patriachaler Machverhältnisse

Das Buch war in der zweiten Auflage 1980 eine Sensation und wurde nur über Frauenvertriebe gehandelt. Der einzige Frauenbuchladen, den es heute noch gibt und der es verkaufte war und ist immer noch Lillemore in der Arcisstr. 57 in München. Da habe ich dies Buch damals gekauft.

7 Kommentare:

  1. Jetzt überlege ich gerade, wie viel Mann in mir ist, ich sitze oft breitbeinig da.:)
    (Natürlich nur wenn der Platz reicht.)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. nur zu, das ist mein CREDO, PlatzNAHME, wie sie uns zusteht, mit RücksichtNAHME im Bedarfsfall, bin ganz auf Deiner Seite, sitze selber auch eher platzeinNEHMEND

      Löschen
  2. ein guter Text, nur wenn der jenige überschreitet reicht es und ich habe das öfters erleben müssen o man heute würde ich mich wehren dmals bin ich erstarrt vor Angstin der Strassenbahn oder Bus.
    Toll wie die Frau dir geholfen hat und auch die andere.
    Was man so erleben kann und die Männer wie er merkens noch nicht mal.
    Lg Elke

    AntwortenLöschen
  3. Zum Glück habe ich sowas noch nicht erlebt. Wahrscheinlich fahre ich auch dazu zu wenig mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Würde aber sehr gerne damit fahren, leider ist das Netz bei uns sehr schlecht ausgebaut. Aber das ist ein anderes Thema.....Wieder super geschrieben, liebe Ute! Danke. Grüßle :)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hanne, ich saß in der Ubahn, als ich Deinen Kommentar las, genau neben so einem Typen und ich mußte so lachen, ganz doll, und genau darüber bin ich mit dem Mann ins Gespräch gekommen.Er hatte sich allerdings manierlich gesetzt...danke fürs Schreibkomplimnet

      Löschen