Montag, 30. September 2019

MARATHON




Zuallererst leuchten blaue
Streifen auf den
befahrensten Straßen der Stadt.
Tage später dann
kreuzen verschwitzte
Kinder stolz neben ihren
Eltern und erzählen lauthals
Und wortreich von ihrem Lauf.
Am selben Abend dann
fliegen urplötzlich
wie Kometenschweife
Skater*innen über die
blauen Streifen.
Jetzt spätestens ist klar:
Am nächsten Morgen,
immer an einem Sonntag,
rennt die Welt,
vibriert der Klang aller Füsse
unsere Stadt,
singen und trommeln
die Stadtschaman*innen und
treiben den Lauf an.
Ich staune jedes Mal.
Ich bin immer wieder überwältigt
von den fröhlichen Stimmungen.
Ganz zum Schluß,
am allerletzten sozusagen,
fläzt sich der Besenwagen
gnädig hinter die allerletzten Läufer*in,
die von den allerletzt übrigen
Zuschauer*innen gefeiert werden,
vielleicht liest er sie aus Zeitnot auf
oder aus Läufer*in Not
oderschiebt sie fröhlich summend
durch das Ziel, alles schon gehabt.
Die Blauen Streifen verblassen
in den darauf folgenden Tagen.
Meine Schwester lief
gefühlt ihr halbes Leben lang
diesen Berlinmarathon.
Erst kränzten unsere Eltern ihre Siege,
dann Freundinnen und Lebensgefährten,
später ihr aufgeregter Ehemann.
Barbara und ich natürlich auch.
Marathon gehört zu unserer Familie.
Laufen gehört zu unserer Familie.
Wir haben uns unsere Sorgen
vom Leib gelatscht.
Wir wälzten sie unter unseren Füßen
in Waldboden, Sand oder Beton.
Es gibt unzählige Gründe zu laufen.
Ich laufe am liebsten im Wald und am Meer.
Ruhig träumend und ohne Ehrgeiz. 
Und Fliegen wär schon auch schön.




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