Dienstag, 20. März 2018

TRAUERKULTUR Der Erinnerung einen Platz schenken



 Seit geraumer Zeit folge ich einem Fotoblog, in dem die Fotografin eine Serie zeigt mit Stühlen und Sitzplätzen verschiedener Art, die leer sind.
„ Empty Places“ , so heißt dieses Album, ist erfüllt mit  leeren Plätzen, und den meisten dieser Bilder wohnt eine tiefe Sicht inne, die den Ansehenden mit einer großen emotionalen Kraft auf die LEERE dieser Plätze hinführt. Als gäbe es eine einsame Seele, die all diese Plätze erblickt und sie mit unserem Blick uneinsam machen würde. Sie qua unserer visuellen Anwesenheit der lebendigen Gemeinschaft zurück empfiehlt.
Irgendwann erwähnte die Fotografin, dass diese Serie sie nie verlassen würde, sie also immer weiter in ihr fotografieren würde. Der erste einsame Platz war der leere Sessel ihrer damals grade verstorbenen Mutter gewesen. Dieser Zauber oder Schmerz oder diese Erkenntnis setzt sich in uns fort, wenn wir diese Bilder erkennen und anschauen. Jedenfalls geht es mir so.

https://www.flickr.com/photos/alinss/ 

So ähnlich motoviert hatte sich meine Foto Serie Bank mit Rucksack entwickelt. Als meine Lebenspartnerin vor einigen Monaten verstarb, galt es ihren Haushalt aufzulösen und alles wegzugeben und zu verschenken, das nicht bei mir bleiben konnte. Darunter befand sich auch ihr Rucksack, den sie noch wenigen Monate vor ihrem Tod erstanden hatte. Er war groß genug, um auf dem Markt einige Orangen oder etwas Milch zu kaufen und auf dem Rücken Nachhause zu tragen. In guten Momenten schaffte sie den Weg dorthin und wollte mir mit drei Orangen eine Freude machen, eine Überraschung am Ende meines Arbeitstages.
Ich verschenkte den Rucksack an eine sehr gute Freundin und sie war ganz begeistert von seinem Tragekomfort. Ich selber hatte einen eigenen und war an den gewohnt. Nach wenigen Wochen stand ich auf dem Markt und kaufte mir selber Obst ein. Plötzlich hatte ich dies Bild vor Augen mit Barbara und dem Rucksack und dem gebeugten Gang und ihren Mühen und meiner Freude über ihre Mitbringsel und wie es in so Trauerzeiten ist, begann ich heillos zu weinen. Mich überkam eine ungeheure Sehnsucht nach diesem Rucksack und im Grunde nach ihr und so stand ich etwas verloren vor dem Obststand und der Besitzer nahm mich zur Seite und tröstete mich.
Als ich Mittags Nachhause kam, schellte das Telefon. Meine Freundin war dran und sagte: „Halte uns für verrückt oder auch nicht. Grade standen wir vor Barbaras Rucksack und befanden, dass er unbedingt zu Dir zurück müsste und dass wir ihn Dir wiedergeben möchten.“ Und dann begann ich zu lachen und erzählte ihr von meinem Erlebnis. Kurz und gut, der Rucksack kam zu mir zurück und meine Freundin nahm meinen alten an sich.
Seit dem ist Barbaras Rucksack meine treue Freundin und Begleiterin und ich fotografiere ihn auf den Bänken dieser Welt und trage ihn natürlich auch. Vielleicht sitzt dann auch ein Teil meiner Erinnerung an Barbara auf den Bänken.



7 Kommentare:

  1. Danke für diesen schönen Post.
    Er berührt mich gerade sehr.
    Liebe Grüße
    Faraday

    AntwortenLöschen
  2. was für ein Erlebnis liebe Ute und wie die Freundin das selbe fühlte in diesen Moment, ja so hast du was schönes bei dir das dir viel positive Kraft immer bei dir ist von Barbara.
    Ich wische gerade die Tränen ab, es erinnert mich an ein Erlebnis was ich gestern hatte mit meinem Sohn am Telefon.

    Lieben Gruss Elke

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Liebe Elke, ich hoffe das mit Deinem Sohn ist gut gegangen...sehr herzlich ute, grüße an Euch alle

      Löschen
  3. Ach wie traurig und schön.....Auf die Seite schaue ich auch mal! Danke :)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Liebe Hanne, Alinss fotografiert leidenschaftlich und vor allem analog mit toller Camera und die Serie /das Album ist teilweise wirklich toll, finde ich. Liebe Grüße

      Löschen
  4. Liebe Ute,
    nun, wo Du das Geheimnis um die mich so berührenden Rucksackfotos teilst, sind sie mir noch wertvoller.
    Vielen Dank dafür!
    Anja zeilensprung

    AntwortenLöschen