Sonntag, 2. Februar 2025

U-Bahn Stories Café Café trinken Café Pause

 




Auf dem Weg Nachhause in der U1sind die Waggons um die 3. Stunde noch nicht überfüllt. Die Sitzplätze sind sehr großzügig zu besetzen und die Auswahl zeigte sich auch an diesem Montag fast übermütig. Schon bei Betreten des Abteils zog mich der Duft frisch gebrühten Cafés an. Coffee to Go…TOGO wie meine Freundin das immer provokant ausspricht. Sie hält gar nichts davon…ich bin auch keine Freundin von dieser Angelegenheit.

Trotzdem genoss ich den Duft und setzte mich neben eine alte Frau, die vermutlich mindesten 80 Jahre alt wirkte. Es gibt sie noch in bestimmten Bezirken, diese alten Damen, ungeschminkt, schlohweiße Haare, toupiert, mit weißen Schildplattkämmen aus dem Gesicht frisiert. Festes Schuhwerk, Perlonstrümpfe durchsichtig und Röcke tief übers Knie, Praktisch und lauffeste Personen. Beweglich und zuweilen lautstark. Als ahnte sie meine Abwehr begann sie mich auch gleich anzusprechen. Sie würde den Geruch so mögen, aber dieses so zwischendurch auf dem Weg beim Laufen, das wäre doch ungemütlich und nehmen Sies mir nicht übel, das sagte sie zu der jungen Frau mit dem Becher in der Hand, stillos. Das aus ihrem Mund hatte was. Stil wäre jetzt nicht so das erste gewesen, was ich ihr zugeordnet hatte, aber es stimmt.

Ich lachte und fragte sie, wie sie das meinte.

 

Na mal im Ernst, sie schaute mich an und versuchte mein Alter zu schätzen, dann war sie sich sicher, ich könnte in ihre Generationserfahrung hineinpassen.

Haben Sie ihre Mutter jemals mit einer Tasse Kaffee auf dem Bahndamm gesehen, wohlmöglich sie noch an der Hand? Wann hat ihre Mutter Kaffee getrunken?

Ich überlegte. Morgens zum Frühstück und nachmittags, wenn wir nach dem Mittagessen zusammensaßen.

Ha, sie lachte auf, hach, sie sprechen von Mittagessen, das gab es also auch noch bei ihnen. Ich lachte.

Ja, meine Mutter hatte sich traditionell in die Rolle der Hausfrau eingefunden und hatte jeden Tag Mittagessen gekocht und morgens und nachmittags Kaffee getrunken. Werktags tranken wir den in der Küche am Küchentisch aus Melitta Geschirr. Am Wochenende und den Feiertagen hielt sie dafür ein feines Porzellangeschirr bereit und wir tranken im Wohnzimmer den Kaffee. Immer handgebrüht, immer aus großen Kannen in kleine Tassen frisch gegossen. Es gab einen vier- und einen Sechstassenfilter, aus Porzellan. Ich weiß das so genau, weil dies alles in meinem Besitz ist.

Später dann, in den 70ziger Jahren kaufte meine Mutter handgetöpferte Becher.

Genau, kam die alte Dame ins Gespräch zurück, Sie haben gefiltert, wir haben aufgebrüht direkt in die Kanne. Aber niemand von uns wäre jemals auf die Idee gekommen, Kaffee aus Pappbechern zu trinken. Niemand wäre auf die Idee gekommen, sich dafür KEINE ZEIT zu nehmen. Ich war berufstätig. Ich habe abends beim Nachhause kommen zuerst einen Kaffee aufgesetzt und dann die Schuhe ausgezogen und dann in heißen Schlucken den Tag verkraftet. Kaffee hat geholfen, die Anstrengung zu tragen.

Ich musste lächeln. Ich machte es ähnlich. Raus aus den Klamotten und an den Kessel und Wasser aufsetzen, den Filter bestücken, ein Lot Kaffee und dann aufgebrüht und durchgeatmet.

Aber wie oft trank ich mittlerweile Kaffee auf der Arbeit gedankenlos und vor allem PAUSEN los.

Ich beschloss sofort damit aufzuhören und die gut gedachte Pause nur mit einem HEESSEN wieder für mich einzuführen.

Die Sonne strahlte uns beim Gespräch ins Gedicht. Sie lächelte und schaute mich freundlich an. Früher gab’s noch die gute Stube und die gemütliche Küche als Orte für den Kaffee und Heut ist kein Ort mehr heilig dafür, oder?

Nö, aber eins ist doch ganz gut geworden, warf ich ein, die Frage nach Kännchen oder Tasse gibt’s nicht mehr und das DRAUSSEN SEVIEREN WIR NUR KÄNNCHEN auch nicht. Jetzt mussten wir beide grinsen. Nicht jede konnte sich ein Kännchen leisten. Aber, hob ich an, die Tasse Kaffee bei Tchibo für 35 Pfennig oder bei Bilka für zwei Groschen, die gingen doch immer.

Der Glanz auf ihrem Gesicht wurde ganz hell. Sie kennen BILKA noch? Na klar, Bilka und sein Café abzuschaffen bedeutete der Untergang für viele Gemeinschaften ohne viel Geld.

Mittlerweile wusste ich, wir sollten dies Gespräch mit einem Café am Gleisdreieck beenden. Ich schlug ihr dies vor und sie willigte neugierig ein.

Beim Aussteigen stellte sie fest: die junge Frau hat nicht einmal aus ihrem Becher getrunken und gehört hatte sie auch nichts, sie war ja an den Ohren verstöpselt. Ja sage ich, es hat sich sehr viel verändert in unseren Lebenszeiten.

Das Café Eule mitten in einer Gartenanlage kannte sie noch nicht. Als ich beim Bestellen bemerkte, dass ich mein Portemonnaie auf der Arbeit hatte liegen gelassen, merkte ich, dass es noch etwas gab, was es eigentlich nicht mehr gab. Die Wirtin lächelte, wir kannten uns.

Kein Problem, ich schreibe Dir das an und Du zahlst beim nächsten Mal.

Anschreiben? Wir lachten, das gibt’s doch auch nicht mehr oder?!

Nein, nur noch sehr selten, aber darüber würden wir beim nächsten Mal reden, jetzt genossen wir die Stille, die Sonne, den Schwarzen in der Porzellantasse und die frische Sahne zum reingießen. Wir machten eine Cafépause. In dem Kiez, in dem wir beide Zuhause waren. Ich war mir sicher, sie hätte noch einen richtigen Küchentisch und ich hatte die Porzellanfilter…und jede Menge Kaffeekannen.

Lasst Euch den Café schmecken und überlegt, ob Ihr die Pausen auch wieder einführen wollt. Beim Tee verhält es sich übrigens nicht anders. Die schnelle Tasse zwischendurch ist KULTURLOS, wenn es mit dem Tee ernst gemeint ist. 

Auf die Pausen im Leben und den Genuss, den wir uns bereiten!!!!!

2 Kommentare:

  1. Eine wundervolle Gechichte aus deinen Leben vom Kaffegenuss
    also ich bin auch noch diese Hausfrau Morgens und Mittags Kaffezeit ein nehmen gemütlich machen und das genüsslich trinken und mit dem Tee. Aus Pappe mag ich nichts..
    Die Gemütlichkeit ist nicht das was es früher war und es gibt auch nur noch selten guten Kaffee , deswegen trinken wir daheim ihn und sonst da wo es wirklich schmeckt.
    Lieben Gruss Elke

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  2. Danke für Ihre berührende und inspirierende Seite!
    Besonders die beiden beschriebenen Zufallsbegegnungen unterwegs und was sich daraus entwickelte an leichtem, freudvollen Austausch bis zu Hilfe in Not finde ich wunderbar!
    Der Schritt zur gemeinsamen Tasse Kaffee regt mich an das bei Gelegenheit auch zu tun.
    Kleine Inseln der Zugwandheit und des Glücks schaffen…
    Für sich und andere☀️

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