WONDERSTORIES/Tage wie diese/Beschützt und Bewahrt

Beschützt und Bewahrt

 

Es war der Sonntag der großen Demonstration gegen Rechtsaußen in dieser Stadt und im ganzen Land.

Das alleine mutete ja schon an als würde ich in einem Traum bewegt leben.

Ich machte einen Spaziergang vorbei an der Berliner Bärin und der Amazone zur Wiese vor dem Reichstag. Eine Kundgebung war veranschlagt mit vielleicht 3000 Menschen.

Als ich eine halbe Stunde vor Beginn dort eintraf, mit den Menschenbildern vom Vortag von Hamburg mit 100 000 Menschen im Kopf und dann die paar Hanseln auf der Wiese sah, begann ich mich fast für Berlin zu schämen. Auf dem Lifetickker am Handy wurde grade vermeldet, dass Münchens Demo aufgelöst werden musste, 200 000 Menschen legten München lahm.

Ich wollte mich grade umdrehen und zurück gehen, als ich plötzlich fast überrannt wurde. In 5 Minuten war die Wiese überfüllt, zehn Minuten später die Wege zum Reichstag und zur Siegessäule wurden von der Polizei freigegeben, das Regierungsviertel wurde freigegeben. Die Menschenmassen überwältigten vollkommen. In der Dunkelheit wurden plötzlich die Handies angeschaltet, ein Lichtermeer ohne Brandgefahr, wir waren die Brandmauer. 130 000 Menschen um 16 Uhr, bis zur Stunde später wuchs die Zahl auf 200 000.

Überwältigt machte ich mich auf den Heimweg, als meine Intuition mir sagte, los jetzt noch in die Neue Nationalgalerie, einfach einige Bilder anschauen, und ich betrat die Neue Ausstellung Zerreißprobe, Die Sammlung 1945-2000 Kunst zwischen Politik und Gesellschaft. Wie ein Begleitprogramm für die aktuellen Ereignisse. Friedlich ließ ich mich treiben.

 

 

Monika Sieveking

Angela Hampel

Rebecca Horn

Marina Abramovic

Valie Export

Louise Nevelson

Bridget Riley

Pippilotti Rist

Kiki Kogelnik

Ewa Partum

Maria Lassnig 

Ich liebe es, dass es heutzutage so viele Frauen Künstlerinnen gibt und sie auch gezeigt werden.

 

Tolle Bilder auch von Picassos Frau mit Blumenstrauss in Brauntönen, eine grüne Frauen Skulptur von Moore, die ich liebe und noch nie gesehen hatte.

Skulpturen Filme Bilder Installationen

 

Ich ließ mich treiben und atmete mich kreativ voll

 

Dann der Heimweg, es war ja überall an diesem Tag EISGLATT, laufen nur noch als vorwärts stolpern. Die Dunkelheit tat ihr übriges.

Als ich auf der Potsdamer Straße also von glatt zu noch glatter schlidderte, nahm ich plötzlich ein Glitzern wahr. Überging es aber müde und fragte mich beim Weiterlaufen, was mich wohl in Zukunft schützen und bewahren könnte, was ich selber dazu tun könnte. Naja, flüsterte mir meine innere Stimme, die Ausstellung war doch schon ein guter Weg. Aber hast Du das Glitzern bemerkt, flüsterte es weiter? Warum hast Du Dich nicht gebückt und genauer hingeschaut. Glitzern hilft doch immer!Und Du wolltest doch nichts mehr einfach übergehen, was Dich antreibt und anspricht, auch sekundenweise. Das war die Abmachung!

Ich drehte gegen die Müdigkeit um und stolperte vorsichtig zurück.

Da lag er. Ein Engel aus Perlen und filigranem Bauernsilber. Ich hob ihn sachte auf und bestaunte ihn vorsichtig. Er war überhaupt nicht verschmutzt, obgleich er im größten Dreck lag. Ich nahm ihn in meine Hand und ich weiß nur, dass ich mich auf dem Heimweg beschützt und wohlig bewahrt fühlte. Ich wusste, das war die Antwort. Mehr weiß ich nicht.