Mittwoch, 10. November 2021

Corona und keine Ende Aber ein neuer Ton

 



 

Mit Bestürzung stelle ich fest, dass der Ton in den Medien, den sozialen Netzwerken und auf Blogs sehr rauh und aggressiv wird.

Da werden Ungeimpfte zu Sündenböcken, Geimpfte zu solidarischen Menschen und Maßnahmen werden in ein unsachliches Licht gestellt.

 

Ich gehe gerne von mir aus.

Ich trage derzeit im öffentlichen Nahverkehr, auf der Arbeit in Gruppenkontakten, auf Gängen und geschlossenen Räumen Masken. Ich tue dies, um mich zu schützen und andere Menschen auch. Ich trage sie , weil es eine Pandemie gibt. Ich trage sie nicht, weil es Ungeimpfte gibt, wie auf verschiedenen Plattformen behauptet wird. Als Geimpfte bin ich Überträgerin und Anzusteckende.

Ich habe mich impfen lassen, weil ich vermeintlich andere und mich besser schützen kann. Ich habe Ungeimpfte nie als Gefahr angesehen, sondern eher als Gefährdete, auch durch mich. Die Impfdurchbrüche lehren mich grade, dass es keine 100 Prozentige Sicherheit in diesem Bereich gibt. Wir sind ALLE ungeübt und unerfahren mit den Viren dieser Art.

Ungeimpfte Menschen sind ebenso wenig schuld wie unerfahrene Wissenschaftler/Innen.

Ich als Geimpfte bin nicht solidarisch oder Ungeimpfte sind nicht unsolidarisch. Wir sind nur geimpft und nicht geimpft.

Der raue Ton in den Medien ebenso wie hier auf diversen Blogs erschreckt mich. Der Ruf nach Sündenböcken, hier die Ungeimpften, ist so alt wie trivial: nichts weniger als Angst. Angst ist ein gesunder Reflex, aber keine gesunde und heilsame Strategie im Umgang mit längerfristigen Situationen. Langsam aber sicher nähern wir uns gesellschaftlich der Starre und Engsichtigkeit von Angsterkrankungen.

Als ich ein Kind war und die Pockenimpfung anstand, verstarb zeitgleich eine Cousine meines Alters genau an dieser Impfung. Meine Mutter, ihrerzeit Krankenschwester, überlegte natürlich gründlich, ob sie mich impfen lassen sollte. Sie entschied sich gegen ihre Angst, weil sie davon wußte, dass es diese Ausnahmen gab. Aber sie sprach mit mir darüber. Ich erinnere mich an ihre Sorge, aber ihre Vernunft erinnere ich auch. Also wurde ich geimpft und war stolz auf diese kleine Narbe, die ich an anderen Oberarmen so gerne sah.

Also: Angst ist keine gute Beraterin.

Gespräche, in denen gemischte Gefühle offen gezeigt werden, beruhigen mich eher, als dass sie mich verstören.

Druck erzeugt Gegendruck. Offenheit öffnet Räume. Freundliche Annahme von Zweifeln schenkt Aufmerksamkeit und gibt Platz für nachdenkliche Schritte.

Deeskaltion ist eine gute Strategie, die ich im Umgang mit der Pandemie vermisse.

Offen bleiben, sich angemessen schützen und ich kann keine Sündeböcke am Horizont ausmachen.

Ich weiß nichts und glaube auch nicht, dass andere mehr wissen.

Dazu stehen und voller Hoffnung weiter gehen, das ist meine Devise.

In diesem Sinne werde ich mich weiter impfen lassen.

 

7 Kommentare:

  1. Ein Blick über die Grenzen nach Portugal, Spanien oder Italien zeigt, dass eine höhere Impfquote die Ansteckungen sinken lässt. Während einer Pandemie spielen Zeit und das exponentielle Wachstum eine große Rolle. Mehr Gemeinsinn in der Impffrage würde gerade jetzt helfen die Kliniken und das medizinische Personal enorm zu entlasten … Und viele springen ja nun doch über ihren Angstschatten.

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    1. wir wissen alle nicht, wo es wirklich hingeht

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    2. Ja, so ganz allgemein gesehen ist das ganze Leben natürlich ein Quiz.
      In Sachen Pandemie gibt es aber ziemlich exakte Berechnungen, wie sich die Dinge entwickeln werden …

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  2. Ich bin vollständig geimpft und kann doch die Zweifel so mancher Impfgegner verstehen. Die Hoffnung bleibt, dass mit der höheren Impfquote tatsächlich die Erkrankung irgendwann - hoffentlich in naher Zukunft - in den Griff zu bekommen ist. Aber auch ich habe meine Momente in denen ich denke "Sch... Impfdurchbrüche... Klar, die gab es immer... Aber dann lese ich wieder, dass ich mich trotzdem noch anstecken kann und andere auch und bin frustriert... Letztendlich bleibt nur, vernünftig sein und die anderen Menschen in Ruhe ihre eigenen Entscheidungen treffen lassen. Ich kann dieses ganze mediale aufeinander rumhacken sowieso nicht ausstehen. Irgendeiner muss immer schuld sein...

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  3. Liebe Ute, traurig und teilweise entsetzt nehme ich auch diese "Verrohung" wahr. Ich kann mir auch denken, welcher Blog Dich zum Verfassen dieses posts veranlasst hat....So schade alles! Umso dankbarer bin ich für Deine lieben, ehrlichen und tröstenden Worte! Auch Micha vom Salzkorn-Blog hat sich - wieder einmal - in einer Weise geäußert, die sehr lesenswert und aufschlußreich ist!

    Ich wünsch' Dir ein entspanntes Wochenende! :)

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  4. J, wir beide wissen, wos herkommt mit meiner Reaktion. Ich war so irritiert, und dachte nur, nee, so will ich sowas nicht stehen lassen, für mich gehts nur mit Annahme und Respekt. liebe Grüße an die Fränkin

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