Sonntag, 15. März 2020

CORONAVIRUS DIARY Freundschaften im digitalen Zeitalter.DIE LIEBE IN ZEITEN DER CHOLERA

 

Eine gute Freundin hat sich verliebt. Vorgestern. In der U Bahn, glücklicher Weise fuhr sie noch.
„Ute, in diesen Zeiten, ist das nicht unmöglich?“
Ich schaue sie verwundert an.
„Seit wann hält Liebe sich an Zeiten? Sie hält sich an Menschen und trifft sie immer unvorbereitet.“
„Ich bin wie auf Drogen, schwebe einen halben Meter über dem Coronavirus.“
„Was ist geschehen?“
„Wir haben uns angesehen und über den Coronavirus gesprochen. Wir haben unsere Ängste ernst genommen und dann waren wir beim Malen. Sie ist Malerin, stell Dir das vor, ich treffen eine Malerin in der U Bahn.“
Sie ist völlig aus dem Häuschen.
Ich lächle.
Ich schaue sie an und mir fällt wirklich nur ein:
„Schätzchen, das ist Schicksal! Die Liebe wird Dich schützen, unsere Glückshormone werden komplett unterschätzt.“
„Aber wir sollen doch Distanz wahren.“
„Das musst Du natürlich alleine entscheiden! Liebe oder Distanz. Oder Liebe und Distanz, was Distanz ist entscheidest Du!“
Ich erinnere sie an unsere tolle Übung in der Gestalttherapieausbildung. Wir setzten uns einander gegenüber und machten eine halbe Stunde nichts anderes, als einander
wertschätzend
liebend
ermunternd
fröhlich
anzuschauen. Erst die eine aktiv all dies gebend, die andere all dies nehmend. WORTLOS! Es entstand eine Intimität und Liebe, die fast überirdisch wirkte. Danach wurden die Rollen gewechselt. Die Aufnehmende wurde zur Gebenden. Ich werde das nie mehr vergessen. Als meine Freundin im Sterben lag, gab es unter anderem nur noch diesen Kontakt, ansehen, berühren, fühlen.
Ich glaube, dass die Aufmerksamkeit und unsere innere Haltung sehr viel Wärme und Liebe in diesen Zeiten teilen kann.
Eine andere Übung war die des aufmerksamen Rückens. Beide Teilnehmerinnen setzen sich Rücken an Rücken und spüren den oben genannten Gefühlen nach. Ohne einander anzusehen.
Als ich ihr von unseren Übungen erzählte, erinnerte sie sich und sie war plötzlich ganz zuversichtlich.
„Und DU so?!Kannst Du Dir das überhaupt nochmal vorstellen?“
Ich lachte sie an.
„Alles, was kommt, wird eine neue Erfahrung sein. Unvergleichlich. Geliebt wird immer. Verändert auch. Gewürdigt sowieso. Geküsst, gefasst ganz anders. Alles wird eine andere Farbe bekommen. Manchmal sind es Momente  in Begegnungen. Da schaut jemand schalkhaft oder bewegt sich sympathisch. Sowas würzt mein Leben und auf jeden Fall meine Momente.“
Sie bleibt hartnäckig.
„Willst Du Dich nochmal verlieben?“
„Das hat mit meinem Willen nicht so viel zu tun, es passiert.“
Es stimmt, die Endorphine verändern das ganze Körpergefühl, leibhaftig halt. Was ich daraus mache, ist natürlich eine ganz andere Sachen!
Also Frauen, nur Mut in Zeiten der verschriebenen sozialen Distanz. Wir müssen uns nie an Etwas halten, was wir nicht wollen. Kürzlich las ich bei Luisa Francia www.salamandra.de die wunderbare Aufzählung: panik paranoia pandemie patriachat. Noch Fragen? Ich finde das als Begründung für die Ablehnung des gesamten Zirkus da draußen komplett ausreichend.
Und schon mal daran gedacht? Isolation und Ausgrenzung sind Foltermethoden und machen krank. Ich habe keine Angst davor, eine längere Zeit ohne Arbeit draußen und auch in meiner Wohnung zu verbringen. Ich mag es nicht, dass mir dies jemand als hilfreich verkauft. Das ist Bullshit und zwar eimerweise.



Wir sind als Freundeskreis so glücklich, dass unsere gemeinsame Freundin Sigrun noch grade am Anfang der Virusentfaltung an ihrer Lunge operiert wurde. Wir haben sie besucht, ihr Essen gekocht und mitgebracht, wir haben erste Schritte mit ihr geübt, Treppauftreppab, sind mit ihr Cafetrinken gegangen und haben ihre und auch unsere Seelen gestärkt und ihrer Heilung einen Segen geben dürfen. Gemeinschaft und Freundinnen sind heilsame Elemente. Begegnungen sind lebenswichtig. Natürlich haben wir sie nicht gedrückt oder geküsst, das weiß jeder Mensch, dass diese Faktoren im Krankheitsfall einer Lunge bedacht werden müssen. Wir haben uns natürlich die Hände gewaschen und desinfiziert.Sowas habe ich als Kind gelernt. Aber wir waren da, daneben, gegenüber.
Ich habe in meiner Kindheit gelernt, dass Scharlach und Masern Krankheiten sind, die ich überwinden kann und die mich immun gemacht haben. Ich habe als Kind genau in demselben Krankenhaus wie Sigrun gelegen mit Lungenentzündung, drei Monate lang in Isolation, die Eltern durften nur draussen vor dem Fenster stehen. Es war schrecklich. Als mein Bruder dann auch noch rein kam, haben sie ihn wenigstens mit mir ins selbe Zimmer gelegt. Ich habe meinen Bruder geliebt wie nie mehr später. Ich habe ihn umarmt, geküsst, im Arm gehalten. Er war ein wenig verstört, denn sonst mochte ich ihn nicht so gerne. Aber so haben wir beide es dann ausgehalten.
Ich ahne, dass dieser Virus nur deshalb so einen Wirbel veranstaltet, weil wir ihn bekämpfen anstatt ihn als das zu nehmen, was er ist: eine Herausforderung fürs Immunsystem. Schwerkranke Menschen waren schon immer gefährdeter. Aber unser Gesundheitssystem wurde zu Tode gespart und jetzt haben wir einfach nicht genug Betten auf Isolierstationen zusätzlich zu den täglichen Patientinnen. Wer berichtet eigentlich von Menschen, die diese Immunisierung schon geschafft haben?
Ich gehöre zur Risikogruppe der alten Frauen. Ich lassen mir die Art meines Lebens nicht vorschreiben, als Frau nicht, als Feministin nicht und als Lesbe schon gar nicht. Jetzt wird erstmal geliebt! Und ansonsten gilt: Panik vergessen, Paranoia bei dem Patriachat lassen und die Viren begrüßen. Let´s go Leben.
Eine ruhige Woche und bleibt gesund.Am Anfang und am Ende kann auch gelten:
Entscheide Dich für Dich.



3 Kommentare:

  1. GELIEBT WIRD IMMER! STIMMT :) Diesen Satz greife ich einfach mal aus den vielen raus, die du uns so grandios mitteilst. Dank' dir dafür :)

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  2. na stimmt doch aber auch , Hanne, wer liebt ist glücklich, das hat Herman Hesse geschrieben, es stimmt

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  3. falsch: wer lieben KANN, ist glücklich, so lautet das Zitat

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