Dienstag, 17. März 2020

CORONAVIRUS DIARY Corona hin LEBEN HER




Noch ein Nachtrag: Das Gedicht der 12. Woche ist übrigens aus dem Jahr 1976, was habe ich denn als  20 Jährige gedacht, das das Leben schon zuende ist? Im Moment ist mir nicht so nach Dichten, also hole ich mal den Fundus hervor.




Ein Klassiker dieser Tage:
Ich sitze der S Bahn, weit genug weg von anderen, mittags fast irreal in Berlin, als ich auf meinem Handy eine Nachricht meiner Freundin Sigrun entdecke. Eine Sprachnachricht. Da alle in guter Entfernung sitzen und selber an ihren Handis rumspielen, denke ich erstmals in Meinem Leben, ach so an´s Ohr gehalten, kann ich das mal abhören. ZACK DER LAUTSPRECHER LEIDER GANZ LAUT gestellt, ertönt erstmal einer ihrer derzeitigen Hustenanfälle und ehe ich mich versehe, stehen drei Leute um mich herum, reichen mir ein Taschentuch und bitten mich inständig aber immer noch höflich:
„Bitte husten Sie in ein Taschentuch hinein.“
Ich bin zuerst verdutzt und dann merken sie selber, dass die Husten Beller aus dem Handy kommen.
„Ach Entschuldigung und gute Besserung für die andere Seite.“
„Alles ok, sie hatte grade eine Lugenop, und das ist gesund, wenn sie so hustet.“
Wir mussten dann so lachen und ich höre mir unter Garantie nie wieder eine Nachricht im öffentlichen Raum ab. Ich fand das irgendwie gut, denn manchmal gibt es ja tatsächlich noch unbefangene Unachtsamkeit.







Die andere Seite der Medaille sind die freien Orte, wunderbar, um entspannend Nachhause zu wandeln. Gestern bin ich am S-Bahnhof Brandenburger Tor auf dem Heimweg von der Arbeit ausgestiegen und zufrieden durch den Tiergarten gestiefelt. Die Blaue Stunde mit Vogelgezwitscher ist eine große Gnade der Göttinnen in dieser Zeit und auch sonst.
Da ich ja nicht weiß, was noch so kommt, habe ich mir  bei meiner Lieblingsbuchhandlung Ackazienhacker in der Leonhardstrasse feine Bücher abgeholt. Die Besprechung dieser Titel könnt Ihr in den nächsten Dreißig Tagen erwarten, sofern Internet weiter funktioniert.
Bestellt hatte ich mir von Kerstin Hensels das neue Buch REGENBEINS FARBEN. Es geht um drei Frauen, alle aus dem Kulturbetrieb, eine Malerin, eine Journalistin und die dritte eine Sammlerin, alle treffen sich immer wieder auf dem Friedhof, sie habe alle ihre Männer verloren. Und dann taucht ein scheuer Galerist auf, auch er seit kurzem Witwer und dann entsteht eine Dynamik…eigentlich natürlich ein Buch für meine Freundin, die sich grade in eine Malerin verliebt hat. Aber gemach gemach, das alles erst einmal der Klappentext.
Und dann habe ich noch ein Buch von Annie Ernaux entdeckt, Erinnerung eines Mädchens…das war der letzte Band ihrer kollektiven Autobiografie, den ich noch nicht gelesen habe. Sie beschreibt sich selber als Ethnologin ihrer Selbst. Um zu verdeutlichen, was die heißt, hier ein Auszug aus dem grade erstandenen  Buch:
„Soll ich unter diesen Umständen das Mädchen von 58 und die Frau von 2014 zu einem ICH verschmelzen? Oder, was mir rein subjektiv zwar nicht am stimmigsten, dafür aber am aufregendsten erscheint, beide voneinander trennen, sie in ein SIE und ein ICH aufspalten, um bei der Darstellung von Ereignissen und Handlungen bis zum Äußersten gehen zu können? Und das auf Grausamste, so wie die Menschen, die man hinter einer Tür über einen selbst reden hören, die SIE oder ER sagen und in diesem Moment meint man zu sterben.“ (S.21 aus Erinnerung eines Mädchens 2020)
Das tut sie in all ihren Büchern und es ist ein sich in der Welt auseinandernehmen, wahrnehmen in allen Schatten- und Sonnenseiten, immer grenzenlos und oft auch Tabus antastend ,überschreitend und beschreibend. Wirklich ergreifend zu lesen.
Annie Ernaux ist 80 Jahre alt und hat die Bücher erst ab dem 40zigsten Lebensjahr geschrieben. Es war 1983 eine Sensation, sich so in die Biografie Ethnologie zu wagen, sie hat sie in dieser Konsequenz quasi erfunden.
Sehr berührende Bücher sind die über den Tod des Vaters und über die Mutter.
Das Buch über den Vater, DER PLATZ, beginnt mit einem Zitat von Genet:
„Ich wage eine Erklärung: Schreiben ist der letzte Ausweg, wenn man einen Verrat begangen hat.“
Ihr Verrat, mit dem sie sich liebevoll und klar zugleich auseinandersetzt ist der an ihrer Herkunft, wirklich toll zu lesen und empfehlenswert.
Heute kam eine mich beruhigende Nachricht: Frankreich verhängt zwar ein Ausgangsverbot/Einschränkung der Grundrechte Achtung immer aufpassen/aber Joggerinnen und Jogger dürfen alleine in der Stadt laufen, LEUTE ICH BEGINNE ZU JOGGEN, garantiert. Da brüllen ja die Hühner im Karton.
Frauen, bleibt wachsam achtsam und einfach nur locker durchatmen. Wer damit Sorge hat, dem hier die kleinen bezaubernden Cartoons.




 und hier noch ein Frühlingsgruß
wie gesagt, ich bin keine Heldin des Selfies.


1 Kommentar:

  1. PIEP PIEP PIEP, wir haben uns alle lieb ;) Dein Klassiker ist wieder sowas von DU ;)Und....SELFIES KANNST DU :)

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