Sonntag, 7. April 2019

MEIN SENF DAZU/ Friday for Future


welche Türen öffnen sich und wo gehts dann lang?!




Es ist gut zu wissen, dass es Eltern gibt, die ihre Kinder unterstützen, die ihre Tochter unterstützen, was ja noch dazu eine Ermutigung der besonderen Art ist.
Greta Thunberg hat sich vor das schwedische Parlamentsgebäude gesetzt und ihre Furcht vor ihrer Zukunft zum Ausdruck gebracht. Sie setzte sich an den Ort, wo Entscheidungen für ihre Zukunft getroffen werden. Dass sie damit eine mediale Öffentlichkeit und eine Jugendbewegung initiieren würde, ich weiß nicht, ob sie das ahnte. Sie ist die Generation Öffentlichkeit, sie ist mit allen Medien aufgewachsen, ich weiß nicht, wie sich das anfühlt. Sie hat ein gutes Mittel für Streitbarkeit gewählt: Schulzeit nutzen. Die Bildungszeit für die politischen Anliegen nutzen, ein intelligenter Schachzug.
Ich finde die Anliegen komplett angemessen und auch die Weise, wie diese Jugendlichen ihre Anliegen vortragen. Sie sind GEGEN und bewegen sich in ihrer Hoffnung FÜR ihre Zukunft  und die Zukunft der Erde.
In diesem Alter war ich auch GEGNERIN. Mein Vater wurde zur Schule einberufen, weil ichdamals angeblich gesinnungstechnisch mit einer Roten Fahne durch die Schulzeit marschierte. Der Direktor trug ihm dies als Vorwurf vor. Mein Vater hörte sich das an und bat dann darum, dass ich dazu geholt werden sollte. Damals, Anfang der sechziger Jahre eine antiautoritäre Neuheit. Als ich dann dazukam, befragte er mich zu meiner Haltung. Er kannte mich ja und manchmal nervte ihn meine schwarzweiße Bedingungslosigkeit komplett. Dann beendete er die Diskussion mit dem klaren Hinweis, dass er das grade nicht aushalte, aber gerne zu einem anderen Zeitpunkt wieder weiter reden würde. Er wich nicht aus. Und ich fühlte mich großartig. Ich hatte ihn geschafft. Aber er blieb unermüdlich im Gespräch. Ich wollte unbedingt die SEW wählen, die sozialistische Einheitspartei Westberlin, der DDR Ableger im Westen. Die wählte ich auch beim ersten Mal. Genauso wie ich nach der Wende die Linken wählte. Mein Vater versuchte dem Direktor zu erklären, dass er froh wäre, dass ich politisch so denken würde. Es ist doch allemal besser, als würde sie die NPD wählen wollen. Obwohl, und dabei grinste er mir ins Gesicht, wenn ich so überlege, welche Lieblingslieder Du so aus Deiner Grundschulzeit trällerst… die Mundorgel hoch und runter, da hätte auch ganz was anderes bei herauskommen können. Er schaute den Direktor an und überlegte einen Moment lang: sympathisieren sie noch mit dem alten Grossdeutschen Reich? Der Angesprochenen verwahrte sich nicht, eine Röter überzog seine Glatze.
Mein Vater nickte mir nachdenklich zu. Da läuft der Hase lang. "Wissen sie, als internationaler Musiker komme ich als Deutscher in viele Länder. Das ist kein Spaziergang. Da bekomme ich in Holland schon auch mal keine Brötchen oder erhalte eine Backpfeife, wenn ich auf einem Essen in einem Lokal bestehe. Deutsche werden hier nicht bedient. Ich pflege dann meiner Scham Ausdruck zu verleihen und entschuldige mich und versage es mir, auf mein Alter hinzuweisen. Ich bin froh, dass ich mich in meinem eigenen Land für meine Tochter nicht schämen muss." 
Dann gingen wir. Es gab nie mehr einen Vorwurf aus dieser Richtung. Zuhause versuchte er mir klar zu machen, dass diese Welt nicht nur aus schlechten Kapitalisten oder ausgebeuteten Armen bestand und er wurde nicht müde mir zu erklären, dass die Welt nicht schwarzweiß sondern bunt sei.
Heute nenne ich das DAS LEBEN MIT DEN GEMISCHTEN GEFÜHLEN. Das ist es, was diese jungen Menschen dieser Bewegung noch erfahren werden. Aber nein, sie stecken ja schon mitten drin in diesem Gemengelage. 
Erlebt wie folgt:
Samstagnachmittag in einem Bekleidungsgeschäft in den Umkleidekabinen, folgendes Gespräch dreier sehr junger Frauen:
Hey ich nehme jetzt alle Leggings mit aus dem Sonderangebot, das muss mein Alter blechen
Hast Du mal reingeschaut, alle aus Bangladesch.
Ach dann kann ich ja gleich ganz draußen bleiben aus diesem Laden.
Ich will sowieso ein neues Handy, mein altes iPhone reicht nicht mehr.
Ich habe meinen Eltern gesagt, entweder Handy oder ich fahre nicht mit in Urlaub.
Ein Telefon klingelt. High Mum, rate mal wo ich grade bin. Ja ich kaufe mir Leggings total billig.
Gestern war total toll, so viele Kids. Und sie hat selber gesprochen(gemeint ist Thunberg). Es war total cool. Wann wir Nachhause kommen? Morgen Mittag! Was die Leggings kosten?2 Stück 14 €. Was? Ich soll die liegen lassen? (Stopp Mädels, bei …und dann wird ein Discounter genannt, wo sie ab Montag nur 3.99€ kosten) Mum Du bist ein Schatz! Aufgelegt.
Ich stehe in einer der Nebenkabinen und bin vollkommen fasziniert und angewidert von diesem Irrsinn.
Da gehen am Freitag drei junge Frauen auf die Friday for Future Demo, himmeln Frau Thunberg an, diskutieren und nutzen Iphons, von denen alle wissen, dass sie mit Kinderarbeit hergestellt werden und ungefähr 15 Jahre halten, aber nein, es muss neu ausgewechselt werde, dann werden Herkunftsländer für Mode genannt zu Spottbilligpreisen, unter allerschlechtesten Bedingungen produziert, aber alle waren bei Friday für future. Und mittendrin noch mal eben ein Anruf und über Sonst was diskutiert. Dies alles eine Gemengelage, die jeden Menschen überfordert. Ich trete aus meiner Kabine und plötzlich lachen wir alle vier und erkennen uns wieder. Drei wunderbare junge Frauen, die mich am Vortag selbstverständlich auf der Demo zwischen sich genommen hatten, wir hatte anregende Stunden mit interessanten Gesprächen. Ich schaue sie an und erzähle ihnen, was mir grade in der Nebenkabine alles aufgefallen ist. Wir beschließen, zusammen in einem Café weiter zu diskutieren. Alle Modalitäten liegen auf dem Tisch.
Wir reden über Mode.
Wir reden über Smartphones.
Wir reden über Internet, Facebook, Instagram und YouTube.
Wir reden darüber, was alles viel zu viel ist, und wo sie gar nicht mehr wissen, wo sie rauskommen sollen.
Wir reden über Schulstress.
Ich liebe die Drei. Sie reden offen, ohne Denkverbot, ohne Schranke im Kopf, ohne Abwehr.
Ich erzähle ihnen alles, was ich weiß und wie ich denke.
Ich sage ihnen auch, dass ich sie um ihre bunter Welt nicht beneide, dass ich froh bin über die klaren Verhältnisse, aus denen ich mit meiner Jugend komme und auch, dass ich froh bin, schon so alt zu sein.
Und ich sage ihnen auch, dass sie einen mordmäßigen Job haben mit ihrem Leben und dass ich Widersprüche dabei komplett menschlich finde.
Ganz im Ernst: wenn ich mir vornehme, zwei oder drei Tage nicht ins Internet zu gehen und die Telefone rausziehe und ausmache, um mich zu reduzieren und zur Ruhe zu kommen, dann wusste ich am Anfang nicht, was am Ende dabei raus kam. Heute weiß ich, dass es mir gut tut und dass ich es trotzdem auch toll finde drin zu sein im Netz. Langsam beginnen mich zwar die Bilderflut und die Belanglosigkeiten zu langweilen, mit der Essen und Blumen und Dich und mich so ohne Anspruch geflutet werden. Und dann mache ich es selber und finde es ganz wunderbar. Als eine befreundete Familie mein jetziges Smartphone vor 10 Jahren wegwerfen wollten, habe ich hier geschrien und alle haben es mir begeistert geschenkt. 
Endlich können wir mit Dir whatsappen.
Jetzt gibt es so ganz langsam seinen Geist auf und ich überlege, was ich machen werde. Ich werde Entscheidungen treffen müssen. Aber wichtiger sind mir so feine irre Begegnungen mit Menschen. Und wir haben unsere Handynummern ausgetauscht und jetzt schaue ich auf den Status der Dreien und kann manches aus ihrem Leben im Hessischen Land verfolgen und sie meines in Berlin. Irgendwie auch toll.
Das Leben ist farbenfroh und die Menschen sind voller gemischter Gefühle. Besser geht’s immer, aber gut ist, wies grade ist, auch wenns kurz vor 12 ist.
Also weiter mit FRIDAY FOR FUTURE.
Weiter gute 24 Stunden für uns alle.


2 Kommentare:

  1. Alles richtig gemacht! Reden und Aufklären hilft. Und ich kann mir genau vorstellen, wie behutsam du das gemacht hast 😊

    Was für eine Geschichte wieder! Dankeeee 😘

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    1. ach Hanne, wir in einem Dorf das wäre ein Dreamteam der Harmonie, danke fürs Lob, liebe Grüße die Senfdazugeberin

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