verschenken
hergeben
loslassen
sich trennen von
reich beschenkt sein bei allem
In meiner Sommerpause hatte ich die Idee, mir meine Bücheregale
vorzunehmen. Ich wollte aussortieren und neu ordnen. Das gleiche galt es mit
dem Geschirr in meiner Küche zu machen. Ich habe viel und manchmal empfand ich
es auch als ZU viel. Flohmarkt war keine Option, weil ich kein Auto mehr
besitze.
Nachfragen bei den Antiquariaten hatten schon bei der
Nachlassauflösung vor einem Jahr ergeben, dass Bücher nur noch schwer
verkäuflich sind und selbst Erstausgaben im Wert auch vollkommen gesunken sind.
Für diese Fälle gibt es in Berlin die Selbsthilfeprojekte
unterschiedlicher Träger. Die holen alles ab.
Dann hatte ich eine Idee, von der ich nicht wusste, wie sie in
unserer Straße ankäme. Ich wohne in einem Bezirk mit Milieuschutz, was
bedeutet, dass der Bezirk entschieden hat, die längst eingetretene Situation
von Alters- und anderer Armut zu schützen. Vermieter bekommen klare Vorgaben
bei Instandsetzung oder Mieterhöhungen und Kinderschutz ebenso wie Schutz für
Frauen werden gesondert beachtet. Armut durch Migration ist Realität und erkannte
Gefahr. Da dachte ich, Mensch ich stelle alles raus und verschenke es.
Kistenweise. Jeden Tag eine Kisten morgens raus auf die Straße. Begünstigt
wurde die Aktion durch eine Großbaustelle, die hüfthohe Betonklotze auf die Fußwege
gestellt hatten, dort sollten die Kisten ins Auge fallen und einen bequemen
Stöberplatz bieten.
Und so begann ich mit Küchenartikeln, Geschirr, Besteck, Gläser,
Tassen, Kannen und anderem.
Als ich die erste Kiste rausstellte, war ich aufgeregt und hatte
mir vorgenommen, wenn es nicht geht, also niemand was nimmt, nehme ich abends
alles wieder rein. Ich holte mir beim Biomarkt an der Ecke Kartons und begann. Mein
einziger Auftrieb war, dass ich selber in Friedrichshain, Neukölln und Wedding solche
Kisten schon entdeckt hatte und selber total gerne darin gestöbert hatte und
auch immer etwas gefunden.
Die erste Kiste stand keine Stunde, da war alles weg. Für die
Küche brauchte ich zum Sortieren und Durchsehen eine Woche, jeden Tag eine
Kiste und ich hatte wieder eine Grundordnung in meinem Zuhause. Es blieb so, am
Nachmittag spätestens war alles weg.
Dann kamen die Bücher. Da dachte ich noch, naja, vielleicht will
das keine, wer weiß, ob das Internet nicht alles überlagert und niemand hier
liest. Begünstigt wurde jedoch die Aktion dadurch, dass die fußgängerberuhigte
Straße Durchgangsweg für zwei Hostels, ein Hotel und eine Fachhochschule ist.
Kurz und Gut die Bücherkisten verschwanden ebenso ratzfatz wie die
Küchenkisten.
Manchmal beobachtete ich zufällig aus einem Fenster interessierte
Menschen. Ich kann nur sagen, ich war abends immer total glücklich. Schenken
ist einfach TOLL.
Vor kurzem dann kam ich grade aus der Haustür mit einer Bücherkiste,
als ein Mann mit seiner kleinen Tochter den Rest der alten Kiste in seinen
Rucksack packte. Erfreut lachte er auf.
„ Ach Sie stellen die ganzen Kisten raus. Das geht ja schon seit
Wochen, habe sie überhaupt noch selber welche?“
Ich konnte ihn beruhigen
und erzählte davon, wie sich all dies eben in 63 Lebensjahren angesammelt hat.
Dann schaute er in die neue Kiste und ihm wurde klar, dass er die Fahrradtasche
leeren und in den Rucksack umpacken musste, um noch mehr mit zu nehmen. Dann
fielen mir meine Kinderbücher ein und ich fragte das Mädchen, ob Sie auch gerne
liest. Sie grinste und bejahte. Ich fragte ihn, ob sie mit hochkommen dürfte
und ehe er antworten konnte, stiefelte sie schon in Zweitstufensprüngen nach
oben.
So packten wir ihre Auswahl in einen alten kleinen Rucksack von
mir und stolz stapfte sie zum Vater.
Dann kam die Mutter von´s Ganze mit dem Auto vorgefahren. Mittlerweile
hatte sich herausgestellt, dass sie drei Häuser weiter vor zwei Monaten
eingezogen waren. In ihrem Gepäck hatte sie zwei Billiregale. Sie musterte mich
verwundert.
„Sie stellen die Kisten raus? „
Ich mußte lachen:“ und sie brauchen deshalb Regale?“
Beide lachten und bejahten.
„Wie lange geht das ungefähr noch so weiter?“ lautete ihre
gemeinsame Frage.
„Es gibt noch ein paar Kinderbücher, aber die hat ihre Tochter
schon reserviert. Bleiben noch ca. drei oder vier Kisten.“
Wir tauschten unsere Namen und Telefonnummern aus, besprachen,
dass sie teilnehmen würden am Schließdient für den Spielplatz gegenüber und
Zack gab es neue soziale Kontakte im Kiez und die brauchen wir immer.
Am Wochenende dann klingelte es abends. Vor mir stand die Familie mit
vier ehemaligen Bücherkisten voll mit Äpfeln, ordentlich gelegt und getrennt
zwischen Fall- und Pflückobst.
„ Wir haben die dreifache Menge
bei uns oben.“
Ich war völlig begeistert. Alle wissen um meine Liebe für Äpfel.
So eine Apfelernte hatte ich allerdings noch nie vor die Tür gestellt bekommen.
„Vielleicht haben sie nächstes Jahr ja Lust uns bei der Ernte zu
helfen?“
Na klar. Ihre Eltern besitzen einen Apfelhof in Werder. Und es ist
selbstverständlich, dass alle Freunde und Familienmitglieder bei der Ernte
helfen.
Wie ich so etwas nenne?
Das kosmische Gesetz vom Geben und Nehmen.
Und ich nenne das LEBENSFREUDE und GLÜCK und DEN HIMMEL AUF ERDEN.
Endlich! Deine Sommerpause ist vorbei. ;-)
AntwortenLöschenIch bin soo gerührt und bewegt. Über so alles in Deinem Post. Ganz besonders schön, dass sich die Lütte aus deinem Regal die Kinderbücher aussuchen durfte/konnte. Das hat mein Herz berührt.
Deine Erfahrungen und dies "in Kontakt" kommen, dass setzt gerade Impulse für das Lernen.
Hab einen schönen Dienstag!
Ahoi Oona
Danke für Deine Freude fürs Wiederkehren und auch für Deine Rückmeldung zum Post. Dir noch viel Freude beim IN KONTAKT KOMMEN...
LöschenWie zauberhaft deine Geschichte doch ist! Und wie sich alles weiterentwickelt, wenn einmal am Rädchen gedreht wurde ☺️ Eine richtige Ute-Aktion! Wunderbar hast' die Sommerpause gefüllt - besser geht's nicht 😘
AntwortenLöschenNicht wahr, die Intuition und die Haltungen beim Handeln...und alles wird gut, danke fürs Lob. Noch schöne etwas kühlere Sommertage...mit guten Getränken und freundlichen Menschen...und NEW YORK steht noch auf der Wunschagenda...ich würde dort am liebsten mehrere Wochen einfach von Bezirk zu Bezirk latschen, fotografieren, quatschen, schreiben, Museen, Konzerthallen...meine fresse, soviel Kreditkarten gibts gar nicht...ich lache
Löschen😄Ich spür' sie, deine NY-Begeisterung!!! Wunderbar - Begeisterung belebt ungemein! Ich freue mich jetzt schon auf deine Berichte & Fotos, wenn du mal in NYC bist 😎
Löschen