Dienstag, 23. Juni 2015

LESENDE FRAUEN / Gib nicht auf



Don't give in:an angry Woman is hard to control,a depressed one is easy.
(Sehr frei nach Laurie Penny)

Gib nicht auf:eine wütende Frau ist schwerer zu kontrollieren als eine depressive Frau.
(Sehr frei nach Laurie Penny)




NEIN, ich kannte Laurie Penny vorher nicht.

Lena Dunkham und Anne Wizorek auch nicht.

JA, es wäre schade gewesen, wenn diese drei an mir vorübergezogen wären.

Aber meine Göttinnen lassen nichts unversucht, mir die wichtigsten Frauen immer irgendwann vor die Füße in den Weg zu legen. Sie tun dies oft auf recht phantasievollen Wegen. DANKE
Ich muss hinzufügen, dass ich lange keine Tageszeitung gelesen und seit drei Wochen keinen Fernseher eingeschaltet hatte. Ich glaube ein NOGO bei diesen Ladies, aber NEIN, bei mir ist das ein MUSTGO, um bei mir zu bleiben, um mich selbst zu erhalten. Diesen Dreien auf Twitter zu folgen, nur einen Tag lang, bedeutet von einem Artikel zum anderen gescheucht zu werden, von einem Hashtag zum Nächsten. Ich verstand schnell, was Burnout bei Internetladies bedeutet. Das schaffe und wünsche ich mir einfach nicht. Aber ich glaube, das ist wirklich eine Generationsfrage und in meinem Falle eine Frage der Sozialhygiene.
Aber wie kams diesmal und genau dazu? Ich wollte mir in der Buchbox von Wolfgang Herrndorf das mittlerweile in Taschenbuchformat erschienene Buch Arbeit und Struktur kaufen. Dies ist ein auf Buchformat gelegter Blog von ihm, den ich seinerzeit von 2010-1013 gelesen hatte. Darin beschreibt er auf durchweg humorvolle und verzweifelte Weise seinen Weg mit einem Gehirntumor. Mich ergreift diese Auseinandersetzung immer wieder aufs Neue und ich kann dieses Buch nur wärmstens empfehlen. Er nimmt am Ende nicht nur seinen Humor und seine Verzweiflung, sondern vermutlich auch eine der letzten Gelegenheiten wahr, in denen er frei denken und entscheiden kann und bringt sich gezielt um. Seine Freunde, von ihm instruiert, von ihnen wird er komplett unterstützt in dieser ganzen Zeit, kommentieren dies im Nachhinein und sagen auch für andere Betroffenen, wie er es gemacht hat.(Also alleine dieses Thema ist schon ein eines für sich und einen anderen Post)
Also noch während ich in der Buchhandlung stöbere, nehme ich plötzlich eine junge Frau wahr, die vor sich einen dicken Stapel Bücher hat, pinkleuchtend und mir superfremd.



 Neugierig schleiche ich um sie rum und kann nichts erkennen.
„Was liest Du da?“
Sie lächelt freundlich und erzählt mir, dass dies Mangas seien.
„10 Bände?“
„HMHMHMHM,“ sie nickt und hat einen Genuss in der Stimme, der mich doch staunen und weiter fragen lässt. Nämlich, was sowas kostet.
„6 Euro pro Band.“
Vergleichsweise günstig, wenn ich mir andere Gesamtausgaben vorstelle.
Ich darf in einen Band mal reinschauen und sie erklärt mir gleich sehr warmherzig, dass ich das anders lesen darf, also von hinten her und dann in Schleifen, die mit meiner Europäischen Lesart gar nichts mehr zu tun haben. Ich versuch`s und mir wird schwindelig.
„Seit wann liest Du Mangas?“
Sie erzählt, dass sie seit ihrem 12 Lebensjahr diesen Heften und Büchern verfallen ist. Sie hatte mit ihrer Mutter eine Dokumentation über Japan gesehen und danach beschlossen sie beide, dort hin zu reisen. Da war sie 12 Jahre. Sie fühlte sich dort sofort heimisch, nichts war ihr fremd und Mangas zu Lesen, selbst ohne die Sprache zu verstehen, also nur über die Bilder fiel ihr nur so zu.
„Ich habe dann später Japanistik studiert und dort auch gelebt.“
Diese Mangas hier sind in deutsche Sprache übersetzt. Ich bin fasziniert und zugleich bleibt mir diese Literatur erst einmal fremd. Aber ich will wissen, wo sie groß geworden ist. 
„Bei Leipzig bin ich auf einem Dorf aufgewachsen.“
Also hat sie eine DDR Sozialisation und sie sagt:
„Ich war drei Jahre alt, als die Wende kam.“
„Aber Deine Mutter hat diese Geschichte im Gepäck und bringt sie durch dich vielleicht hindurch, “ ist mein Einwand.
“Und sie hat Dich mutig in diese fremde Kultur getragen.“
Und dann beginnt ein wunderbares Gespräch über unsere unterschiedlichen Zugänge zu kulturellen Anderwelten und wie unsere Mütter uns prägen. Und dann sind wir eigentlich auch schon ganz dicht dran an Laurie Penny, aber wir verpassen es, ich verpasse es…
Am Ende bitte ich sie um ein Foto für meine Reihe LESENDE FRAUEN und dann hebt sie plötzlich LAURIE PENNY in die Luft und sagt laut, dass die auch mit drauf muss aufs Foto.
Ich frage gar nicht nach und bin einverstanden und frage mich schon fünf Minuten später in der Straßenbahn, warum ich sie nicht selber nach der Autorin gefragt habe, als ich auf Google im Smartphone lese, welches feministische Hochformat mir da grade mal so nebenbei untergeschoben worden ist. Das wäre doch ein tolles Gespräch geworden. Da wären die Welten aufgegangen zwischen den Generationen und ich hab`s verpasst, LEIDER.
Zuerst lande ich auf ihrem Blog und da steht eben dies Zitat: „don`t give in:an angry population is hard to govern;a depressed population is easy.“
Dann kaufe ich ihr zuletzt erschienenes Buch.
LAURIE PENNY Unsagbare Dinge Sex Lügen und Revolution.
Wütend…  Herzlich… Lebendig…Feministisch…Politisch…Laut…Sensibel…Frech…FrauenkritischFrauenfreundlich…Entlarvend…
Sie setzt da an, wo die zweite Frauenbewegung der 60, 70 und 80ziger Jahre angelangt und bis heute weiter gelebt und gearbeitet hat.
Ich bin eine, die behauptet, dass Feminismus im Alltag stattfindet und durch alle Generationen hindurch immer von einigen Frauen gelebt wird. Nicht immer sind dies Mehrheitsverhältnisse, aber eine, die offenen Ohren und Sinne hat, erkennt die andere. Und Feminismus hat viele Facetten. Laurie Pennny trägt eine davon in die Welt. Das gefällt mir gut.
Sie stellt die Fragen anders, als aus heutiger Sicht junger Frauen. Sie ist 28 Jahre alt, Engländerin.
Sie stellt ihre eigene Betroffenheit immer mit hinein.
Wirklich, das Internet ist voller Einträge über sie.
Ich werde in nächster Zeit immer mal Zitate bringen von ihr. Ich habe mir die Deutschsprachige Ausgabe sofort besorgt und lese sehr neugierig und froh darüber, dass sie wertschätzend an die alte Frauenbewegung und ihre Literatur anschließt. Die Bibliographie ist SPITZENKLASSE. Ihre Haltung ist zutiefst menschlich.
Hier in Berlin hat sie das SO 36 gefüllt und genau die gleiche Menge junger Frauen musste leider draußen bleiben. Aber auf einen Ort ohne linken Hintergrund auszuweichen kam für sie nicht in Frage. Respekt.
Es gibt viele junge Frauen, die anscheinend wieder lauter rufen, was sie wollen, so genau muss es sein.
FRAUEN erobern sich die Nacht zurück! Das war die erste Frauendemonstration in München. Sie war notwendig und wir riefen LAUT, denn die Nacht gehörte uns nicht selbstverständlich. Heute schickt Anne Wizorek eine  junge Frau 24 Stunden durch eine Metropole und filmt alle Belästigungen in dieser Zeit. Ihr Hashtag Aufschrei und das Buch dazu zeigen: Frauen haben sich noch sehr viel zu erobern, wir haben heute wie damals die Wahl wofür wir rufen und wofür wir uns entscheiden. Die Entscheidung für GEMEINSAMKEIT macht`s auf jeden Fall lebendig und stärker…
„Frauen gemeinsam sind stark ,“ ist kein überholter Slogan und ich rufe ihn nach wie vor gerne.


Morgen liest Laurie Penny nochmals im SO 36 für die Frauen, die draußen bleiben mußten.
Mittwoch, 24.6.15
20.00 Uhr
viel Spaß, es lohnt sich...




 



1 Kommentar:

  1. ein tolles Erlebnis mal wieder und auf deinen Weg ist immer was los... ja es lebt sich total gut so!
    Lieben Gruss elke

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