Sonntag, 5. Oktober 2014

REHA 2012



Vor zwei Jahren habe ich in Bad Grönenbach eine Rehamaßnahme von acht Wochen absolviert. Das war eine wunderbare Zeit, in der ich wirklich genesen konnte. Einige Aspekte davon schreibe ich zur Zeit auf. Einige meiner ehemaligen Weggenossen/Innen schauen hier vorbei, um diese Berichte lesen zu können. Ich dachte auch, dass vielleicht die eine oder andere Leserin meines Blogs sich für eine Reha oder Kur interessiert und so veröffentliche ich die Auszüge für alle.

DAS ERSTE ESSEN IN DER REHA
Nachdem ich also ein Arztgespräch geführt einen Café getrunken und dann ein Gespräch mit der aufnehmenden Psychologin absolviert hatte, gab es mein erstes Mittagessen. Eine Mahlzeit aus Vorspeise, Hauptgang und Dessert konnte ich mir zusammenstellen. Ich hatte immer die Wahl zwischen zwei Hauptgerichten, immer auch zwischen Fleischspeise und vegetarischem Essen. Mir hat definitiv im Nachklang ALLES GESCHMECKT. Es gab immer frische Salate, immer auch ein Obst, das Gemüse und die Zutaten waren aus regionalen Ebenen, es duftete verführerisch und nach und nach sollte ich auch die Fallstricke und kleinen Nischen der Besonderheiten finden. Meine erste Speise war eine Eierfadensuppe, danach Rindergulasch mit Nudeln und frischem Kopfsalat und als Nachspeise gab Schokoladenpudding mit frischen Erdbeeren. Ich war so entzückt, dass schon an diesem Tag meine Depression ihren Auszug gehalten hätte, wäre sie nicht ohnehin schon in der stabilen Phase gewesen. Ich saß in einer mir fremden Gemeinschaft, wurde von meiner Patin dem einen und der anderen vorgestellt, eingewiesen und dann für meinen Appetit bewundert. Wenn Du die ganze Zeit so weiter futterst, wirst du zunehmen, darin waren sich alle einig. Ich mir auch. Na und, ich war hier zur Verschickung und sollte genährt werden und lernen, mich zu nähren, alleine und mit anderen. Was also würde besser funktionieren, wenn nicht die wirkliche Futterluke. Der Arzt hatte es mir eingeprägt: Genießen Sie das Essen in der Gemeinschaft, achten sie auf ihr Sättigungsgefühl, bewegen sie sich, machen sie alles, was sie sich hier mit mir vorgenommen haben, essen sie nicht zwischendurch und verfallen sie nicht in Diät Ismen, dann werden sie nicht zunehmen, sondern Gewicht verlieren. Ich verlor in sieben Wochen 3 Kilo. Ich hatte mich an alle Regeln gehalten. Später dann, in zwei Jahren nach dem Ende der Krankheitsphase nahm ich in einem weiteren Jahr jeden Monat ein Kilo ab und wog am Ende 66 Kilo. Ich hatte meine berufliche Tätigkeit verändert, zwei Jahre Analyse gemacht und konnte mit 60 Jahren mit Fug und Recht behaupten, eine glückliche Frau zu sein. Aber soweit war ich am ersten Tag noch nicht. Ich saß zwischen Menschen, die wie ich ausgebrannt, depressiv, eßgestört, schmerzbehaftet waren. Allesamt liebenswürdige lachende und nachdenkliche Gestalten. Bajuwaren zur Hälfte und aus den anderen Bundesländern der Rest. Rheinländer, Preußen, Emsländer, Kohlenpötte und was es nicht alles gab. Alle waren wir hungrig nach Leben und Selbstliebe. Beides durften wir hier kennen lernen und üben. Alle hatten wir wirklichen Hunger nach Leben.
Es gab von dem aufnehmenden Arzt klare Empfehlungen. Essen sie nur zu den Mahlzeiten. Trinken sie nur morgens Kaffee, vielleicht am Nachmittag noch einmal. Naschen sie nicht. Essen sie höchstens frisches Obst zwischendurch. Aber am besten, sie lassen es bei drei Mahlzeiten bewenden.
Was mache ich, wenn mich die Heißhunger - Attacken erwischen? Gehen sie zu den anderen und reden sie mit den anderen. Beschäftigen sie sich zwanzig Minuten mit etwas anderem, sie vergessen den Hunger. Essen sie sich zu den Mahlzeiten satt. Gemeinschaft heilt.
Wenn dieser Arzt je in die Teeküche zu unserem Wohnbereiche gekommen wäre, er wäre rückwärtsumgefallen. Wir hatten Kühlschrankfächer und Klarsichtboxen von Ikea, in denen wir unsere Lebensmittel aufbewahren duften. Ich hatte darin Kaffee und Äpfel und Zwieback gebunkert. Ich teilte mir eine Box mit einem Mitpatienten, der hatte alles darin, wovon ich träumte, wenn mein APFELZWIEBACKVERSTAND ausgeschaltet war. Schokolade im XXL Format, Kekse, die ich noch nie gegessen hatte, Nutella, ich wurde wirklich irre und habe in der ersten Wochen einfach alles gefuttert, was er mitbrachte. Es war göttlich. Der Blick auf die Boxen war ein Ausflug ins Kinderabenteuerland. Das war echt TOLL!
Göttlich war auch das Frühstück. Es gab dieses besondere Schrotmüsli mit Sahnequark. Leute, das ist ein Gedicht gewesen. Ich liebte es über alles. Ich konnte locker eine Schale davon essen und dazu eine Schrippe mit leckerem Aufschnitt und mindestens zwei Tassen Kaffee. Ich finde, Essen erdet sofort. Das geht mir heute noch so.
Unvergleichlich aber bleibt für immer der Sonntagsbrunch über den ganzen Vormittag bis in den Mittag hinein. Einen Sonntagsausflug machen bedeutete, alles zu verpassen, was das Buffet bis zum Ende hergab. Scherz beiseite, ich wurde immer satt und habe es am allermeisten genossen, dass ich mich mal eine Zeitlang um nichts kümmern musste. Weder Einkauf noch Kochen bewegten meinen Alltag. Am Ende der Reha dann aber freute ich mich auf Zuhause und die Selbstversorgung. Essen in Gemeinschaft heilt die Seele und erdet, das habe ich verstanden.





2 Kommentare:

  1. Es freut mich zu lesen, dass Du eine Reha hattest die Dir gut getan hat.
    Toll.
    Grüße nach Berlin
    Oona

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