U Bahn Stories
STILLSTAND
In der letzten Woche fuhren viel U Bahn Züge langsamer, verunsicherten
uns durch Stop and Goes. Es warfen sich einige Menschen vor Züge, so war heute
in der Zeitung zu lesen, alle an einem Tag, fast zur selben Zeit. Während
Fahrgäste ohne Informationen vermutlich ungeduldig die Weiterfahrten
erwarteten, fluchten und irgendwann erleichtert durchatmeten, wenn Züge wieder
weiterfuhren. Hatten diese Menschen, die sich umbrachten, miteinander zu tun?
Das frage ich mich jetzt. Kannten sie einander oder war Tyche ihre Partnerin
oder lag es am Kosmos? Darüber stand nichts in der Zeitung. Ich stelle immer
wieder andere Fragen und bleibe beleidigt zurück, weil ich keine wirklich
interessanten Informationen bekomme.
In unserem Fall wusste anfangs niemand etwas, nachher auch
nicht, und da ja alles miteinander zusammenhängt kann es auch gar nichts von
allem gewesen sein, aber bei uns war es ja auch anders...
Ich hatte am Morgen keine Eile, ich habe mir die Eile
abgeschminkt, ich bin NICHT MULTITASK, ich mache unheimlich gerne Pausen, ich
esse gerne mit Genuss und verbringe meine Pausen sehr gerne im Park oder auf
einer Yogamatte und ich gehen morgens immer früh los, um spät ankommen zu
können. Ich trödele gerne vor mich hin. Und ich arbeite unheimlich gerne und
manchmal wie ein Pferd und fast bis zum Umfallen.
Mittlerweile überlege ich, ob ich mir ein Tablett kaufe, um
vielleicht auch unterwegs ganz leger mal in der U Bahn oder in Pausen Gedichte
ins Maschinchen zu tippen, oder den einen oder anderen Post zu schreiben. Mit
dem neuen Werbefilm vom IPAD Tablett haben sie mich vollkommen herumbekommen. Ich
liebe diese Freiheit mit den Medien, schon lange spiele ich genau aus diesem
Grund mit dem Plan des Tabletts. Aber zum Zeitpunkt der U Bahngeschichte hatte
ich kein Medium dabei, nicht einmal mein normales Jahrhunderthandy.
Irgendwo zwischen Nollendorfplatz und Wittenbergplatz blieb der
Zug stehen. Ich las in den SPUREN von Louise Erdrich. Ich las und versank und
versank noch mehr und nichts geschah und plötzlich merkte ich, hier stimmt was
nicht. Warum fahren wir nicht? Langsam schauten ich herum, die anderen zögernd
auch, blickten einander fragend und unsicher an…was war los?
Plötzlich eine Stimme aus den Lautsprechern im Wagon.
Meine verehrten Herrschaften, falls sie sich fragen, wat det
hier wird, ick kann es ihnen och nich sagen, ich stehe hier an einem roten
Signal und ich habe hier noch nie jestanden und ick sage ihnen, mir sagt hier
och keena wat, bewahren Sie bitte Jeduld, et jeht bestimmt gleich weita…
Erleichtert wandte sich jeder wieder seinen Gedanken und
Tätigkeiten zu. Nur eine Stimme murmelte zur allgemeinen Belustigung: BOW n U
Bahnfahrer der sprechen kann, BOW.
Vier Seiten weiter in meinem Buch dann die Stimme:
Na det wird ja wohl wat längeret, jetzt sind hier schon zwee
roten Lampen an, aba es spricht keena zu mir und ich kann och keenen anpiepen.
Bitte bleiben sie jedulldig. Berliner wissen ja, die U Bahn heißt U bahn weil
sie Unterdurchschnittlich funktioniert…und organisiert ist…Bitte Geduld…
Ick hoffe sehr, eena hatn Buch dabei, lesen se sich doch wat vor…
Alle grinsten mich an. OKIDOKI also begann ich mit dem Motto des
Buches und stellte die Autorin vor und es begann grade ein nettes Gespräch über
Bücher, da kam sie wieder sie Stimme:
Ick hoffe sehr, dass keena kaustrophobisch ist. Schaun se sich
mal um, ob eene schief kiekt oder Angst hat…fragen sie sich… nehme se die
Person in ihre Mitte, es kann ihnen bei mir im Zug nischt schlimmes passieren,
VERSPROCHEN…
Bei uns war keiner mit Angst.
Dann holte eine junge Frau ihr Smartphon raus und wollte die BVG
anrufen…KEIN NETZ…
Ach ja, kam die mittlerweile vertrraute Altherrenstimme, et jibt
keen Netz, versuchen se ja nich erst die BVG anzurufen, keene SCHANCE,,,ha ick
och grade probiert…STILLE…dann
Nee ick kann sie nich sehen, aba ick weeß, det andere jenau det
gleiche versuchen wie icke…LACHEN
Eine halbe Stunde war mittlerweile vergangen.
Die Stimme: So ab jetzt hamse Regressansprüche, schreiben se
sich folgende Nummer uff, na holen se mal wat zum schreiben raus, ick weeß
jenau, dass die Entschuldigung mit der stehenden U Bahn wirklich bei keenem
mehr gut kommt…
Dann kam die Nummer.
Dann kam gar nichts.
Dann wurden wir neugierig.
Dann beschlossen wir, wenn wir hier beim nächsten Bahnhof
ankämen, wollten wir unbedingt sehen, wie die Stimme aussieht und würden nach
vorne rennen und klatschen…
Stimme: also ohne Netz is ja echt schei…nee schade…
Erzählen sie sich doch einfach alle Erinnerungsgeschichten an U
Bahnfahrten wie diese, oder wohin sie grade wollen oder machen se doch heiteres
Berufe raten…
Das fanden wir genial…wir amüsierten uns köstlich…der erste war
ein EDV Experte, das war total klar, so konnte Mann nur mit Computern aussehen,
so blass, so cool, so ruhig, so still amüsiert…falsch gelegen, vollkommen
falsch, Facharzt für Onkologie, keine dreißig und schon so fertig…aber es
machte total Spaß. Als wir grade bei mir ankamen, da erscholl sie wieder die
Stimme:
Es jeht weita!!!!!!!!!!!!!!!! Tauschen sie Adressen aus und
freuen sie sich über die Pause mit Tiefgang und haben Sie weiterhin einen schönen
Tag und viel Freude an unserem reichhaltigen unterhaltsamen U Bahnnetz. Ich
verabschiede mich und danke für Ihre Geduld.
Als wir Wittenbergplatz erreichten, sprangen wir raus und nicht
nur wir sprangen raus, sondern auch der Fahrer und winkte dem rückliegenden Zug
und seinen Gästen freundschaftlich verbunden zu.
OKIDOKI sagt die Berlinerin und klatscht.
Das ist meine Pfingstgeschichte für Euch…
Pfingsten, das Fest der Kommunikation, der Zungen, der beredten
Seelen, der Gemeinschaft unter dem Geist des MITEINANDERS…FROHE
PFINGSTEN!!!!!!!!!!!!!!!!!!OKIDOKI!!!!
Klasse!
AntwortenLöschenja, das fanden wir auch
Löschenund DANKE und einen schönen Abend noch
Nice! Da wünsch' ich mir doch fast mal eine U-Bahn-Pause a la Berlin ;) Schöne Pfingsten und Danke für's Erzählen.
AntwortenLöschenZwar leider mit dramatischem Hintergrund... aber eine tolle Geschichte!
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