Montag, 9. Juni 2014

DER BODEN AUF DEM ICH LAUFE









DER BODEN AUF DEM ICH LAUFE


Dass Steinmetze aus großen Haufen Kopfpflastersteinen zielgerichtet einen herausnehmen, sicher und flink zwischen die anderen im Boden setzen und so damit Sorge tragen, dass wir eines Tages darauf sorglos laufen können, dass war für mich bis dahin ein vollkommen normaler Anblick im Straßenverkehr. Dass der eine oder andere diese Pflastersteine wieder herausriss und warf, erschien mir schon weniger alltäglich, zumal ich diese Steine gar nicht aus dem Boden lösen konnte. Dass unter diesem Pflaster der Strand lag, dieses Bild verdanke ich einem Song. Nie hatte ich mir Gedanken darüber gemacht, dass ich sicher laufen konnte auf diesem Boden. Ich tat es einfach, Tag für Tag.


Dies alles veränderte sich mit einem Schlag, als meine franco kanadische Freundin Amelie in Begeisterung beim Anblick eines Steinmetzes bei seiner Arbeit  ausbrach. Sie konnte sich gar nicht entscheiden, ob und wie sie ihn auf französisch, deutsch oder englisch loben sollte. Er schaute sie geduldig an und erklärte mir, dass sie dort drüber alle Städte zubetonierten. Dazwischen versicherte sie mir, dass es keine Chance auf Grün gäbe in ihrer Stadt. Sie öffnete mir die Augen für den Schatz auf meinen Wegen in dieser Stadt.
Mutter Erde zwischen den Steinen schafft natürlich Wunder.
Auswüchse zeigen sich bei Champignons und Löwenzahn, die noch überall ihren Platz behaupten und sogar die betonierten Straßen brechen.
Auf welchen Böden marschieren wir?
Welche Bahnen ziehen wir?
Wie bewegen wir uns fort?
Ich gehe unheimlich gerne barfuß.
Trockener Sand kitzelt mich zwischen den Zehen.
Schmatzende Morgenwiesen geben Matsch unter den Füßen frei und wiegen meinen Gang.
In den Straßen der Stadt lege ich die Füße in Trackingsandalen. Weit und frei in Schuhen oder das Gefühl fast barfüßig die Wege zu laufen.
In geschlossenen Räumen wandle ich nur in Socken, Hausschuhe sind mir ein Graus. Selbst im Hausflur von Etage zu Etage bewege ich mich in Woll- und Stop-Socken.


Ich durchwandere gedankenlos Böden, die mich selbstverständlich sicher tragen. Basalt kühlt mich, Holz wärmt die Sohlen, Terrazzo sprengt den Blick, Keramikkacheln beruhigen die Sauberkeit, Boten kühlt den Blick, Kork weicht ihn auf, Katzensteinkopfplaster lässt ihn hopsen, Steinplatten suchen den ruhigen Wandel oder die Hopse Spiele meiner Kindheit. Kreide hält auf Holz, Schiefer, rauen Beton, Steinen. Unserer Bewegungsfreiheit und Fantasie waren keine Grenzen gesetzt. Marmor setzt der Hitze Grenzen und lässt uns großzügig denken.
Das reine grüne Moos macht Schuhe überflüssig, wir schweben darauf davon. Waldboden ermüdet die Sohlen und die Aufmerksamkeit. Der Wald fordert allen Sinnen bei der Barfüßigen  alles ab.
Welche ein Luxus also, dass ich mich ohne nachzudenken draußen und drinnen auf Böden bewegen kann. Wie dankbar fühle ich mich im Besitz bequemer Schuhe, die mich tragen.




Gesunde Füßen erleichtern mir gesundes Denken.
Mein Geist wird nicht von Schmerzen abgelenkt, er entfaltet sich frei und ungebunden.
Der Boden auf dem ich mich bewege tut das seine dazu.
Auf welchen Böden habe ich laufen gelernt?
Meine Lebendigkeit zeigte sich eher im Sprechen als im Laufen. Motorisch zeigte ich viel Kraft, allein das Laufgitter hielt mich in Grenzen. Mir genügten gute Sonnenplätze und Bücher und Wasser zum Schwimmen und Bälle zum Rollen und werfen. Die Menschen brauchte ich unbedingt, denn ich quasselte für mein Leben gerne. Das ungefähr war der Boden, auf dem ich laufen lernte.
Mit Kirschen an den Ohren überwand ich das Laufgitter, stapfte munter durchs Gras zum Tisch, auf dem Schokolade lockte. So lernte ich laufen und Grenzen überwinden, zielorientiert. Auf Gras, Holz, Sand und Steinen. Kitzeln an den Fußsohlen, Zehen zusammenziehen, huhuhhuhhu. Schuhe bedeuteten Enge. Wenn schon dann mit Reißverschluss, Schuhe binden schien mir unlösbar und ein Graus. Mein Vater sorgte von Anbeginn für die Bequemlichkeit der Schuhe. Alle Zehen nebeneinander brauchen genug Platz, nach oben brauch ein Schuh Spiel und vorne darf man nicht sofort anstoßen, das waren seine Vorgaben beim Schuhkauf. Danke dafür.
Auf welchen Böden lauft ihr am liebsten?
Wo habt ihr Laufen erlernt?
Welche Böden sichern Euren Weg?
Uns allen einen sicheren Gang durch diesen Tag, mögen sich die Böden zu unseren Füßen in einen schönen Tag entfalten, frei von Zerstörung, offen für die Weite und Freiheit unserer Geister.




 







3 Kommentare:

  1. wie toll dein Beitrag ist also ich bewundere sie auch wenn sie auf den Knien rumrutschen und ein Stein nach dem anderen einstzen erstmal ist das ein Mordsarbeit sieht aber auch toll aus..
    ich liebe den Sand oder die Wiese unter meinen nackten Füssen, ich gehe so wenig wie möglich mit Schuhen und wenn dann bequeme Schuhe. Da ich leider seit vielen Jahren schwere grobe dicken Kompressionsstrümpfe tragen muss ist das eine Lebenseinschränkung pur für mich eine Qual aber wenns sein muss... so reisse ich sie hinunter und bin wie ein lustiges Barfüssiges Mädchen das nie aber nimmer was an den Füssen brauchen kann, weil es gehört zur Freiheit...
    Spüren all das was so natürlich unter unsere Füsse spürbar ist das muss auch sein!

    Lieben Gruss Elke

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  2. nach monatelangen fußschmerzen, die unerträglich waren, kann ich wieder leben und atmen und anfangen pläne zu schmieden und jeden tag dankbar sein. dankbar, dass ich gehen kann. barfuß am allerliebsten. dankbarkeit für das gehenkönnen zelebriere ich jetzt täglich.
    ich möchte manchmal an den menschen rütteln, wenn sie sich mit banalen (konsumenten) sorgen das leben erschweren.wie unwichtig das alles wird angesichts krankheit und leiden. nichts geht über eigene mobilität und gesundheit.
    ein sehr schöner eintrag, danke
    m.

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  3. Dein Beitrag erinnert mich daran, dass wir uns eigendlich viel zu wenig Gedanken darüber machen, was wir unseren Füßen täglich antun, wenn wir sie in "künstliche" Schuhe zwängen und wie unsensibel ich mich manchmal auf Wegen bewege. Ich habe mir in der Form, wie du dich mit diesem Thema auseinander gesetzt hast, noch nicht auseinander gesetzt. Beachtenswerte Überlegungen...und gerade sehr wichtige Denkanstöße für mich. Danke dafür.
    Liebe Grüße
    Faraday

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