Weihnachten
packt die Holla aus
1976,
zwei Monate vor Weihnachten.
Ich
lebe erst seit fünf Wochen in München und studiere dort
Eurythmie.
Das erste Mal in meinem Leben bin ich in eine
vollkommen
fremde Stadt gezogen, ein Abenteuer, das mein
Leben
verändern sollte.
Niemanden
zu kennen bedeutete für mich, besonders offen zu
sein
gegenüber Neuem und neuen Menschen und fremden
Situationen.
Die
Aufnahme in der Schule vollzog sich besonders herzlich,
ganz
unkompliziert waren Kontakte geknüpft, eine kleine
Wohnung
schnell gefunden, ein Job in einer Bäckerei in
Schwabing
sollte mein Auskommen sein. Mir stand die Welt
offen,
dieses Gefühl habe ich geliebt und es wurde mir auch
vermittelt.
In
der Schule hatten wir die Weihnachtsaufführungen beendet
und
die Ferienzeit begann. Weihnachten stand vor der Tür und
ich
wusste nicht so recht, wohin mit mir. Da half mir der
Zufall,
dass ich von einer Mitschülerin das Auto geliehen
bekam.
Kurzentschlossen fuhr ich nach Mittenwald.
Dort
wollte
ich wandern, Skifahren lernen, Schneeweihnachten
erleben.
Ich
hatte keine Ahnung von Schneeketten, aber sie lagen im
Kofferraum.
Ich hatte auch keine Ahnung von Schneemengen
und
von Bergen und von Mittenwald, aber ich hatte auch keine
Angst
davor.
In
Mittenwald angekommen, fand ich nur mit Mühe über einen
Aushang
im Schaufenster bei einer Goldschmiedin eine
Unterkunft.
Sie war erstaunt, dass ich alleine ohne eine Familie
Weihnachten
feiern würde. Aber nur bis zum 23.12. wie sie mir
eindringlich
nahelegte, denn danach wollten ihre Kinder
kommen
und die wohnten normalerweise in der
Einliegerwohnung.
Ich nahm die Wohnung trotzdem. Acht
schöne
Tage waren besser als nichts. Und Weihnachten würde sich was ergeben. Meine
innere Stimme sagte, nimm´s und warte ab. Und ich bekam das Paradies. Die alte
Dame lehrte mich alles: Skifahren, wedeln, aufsteigen, Schussfahren,
Schneeketten anlegen. Sie zeigte mir ihre Werkstatt, ihre Kreationen und wir
hatten schöne Gespräche. Dann eines Abends, zwei Tage vor Weihnachten lud sie
mich ein, mit zur Chorprobe für Fest zu kommen. Ich durfte mitsingen und war
seelig. Als wir danach noch in die Wirtschaft gingen, wurde dort weiter
gesungen und ich wurde ausgequetscht und ich beneidete die Menschen für ihre
Verbundenheit untereinander. Es war noch meine Zeit, in der ich alles gut oder
schlecht fand. Das dort fand ich gut. Es wurde spät und später, und erst weit
nach Mitternacht machten wir uns alle auf den Weg Nachhause. Und da war es:
Schnee war in rauen Mengen gefallen, bei Austritt aus der Wirtschaft fiel der
Blick auf die Kirche und die stand hell angeleuchtet in weißem Idyll.
Puderzucker in großen Mengen, Nacht hell schneeweiß, unglaubliche Stille.
„Mei
o mei, da hat die Holla aber ausgepackt für die Preußin!“ entfuhr es meiner
Wirtin.
Wir
lachten und alle waren wir berührt und der Zauber wurde von uns in die
Weihnacht getragen.
Es
war Glück. Ich war glücklich. Der Schnee fiel immer weiter.
Am
nächsten Morgen stand es fest: Mittenwald war eingeschneit. An Hin- oder Wegreisen
war nicht zu denken. Der Schnee fiel und fiel und Weihnachten fiel ganz anders
aus. Ich lernte von der Wirtin eine Gans zuzubereiten, ich lernte Knödel zu
kochen, ich lernte eine katholische Weihnachtsmette kennen, ich lernte
mitzusingen und ich dankte für eine großzügige Gastfreundschaft.
1976
gab es keine Handys, es gab niemanden, der fotografierte.
Ich
habe mir die Bilder in meine Seele eingeprägt.
Und
ich habe Briefe geschrieben, lange haben wir Briefe geschrieben.
Ich
habe die Erinnerung an ein unvergessliches Weihnachtsfest in meinem Herzen.
Und
ich habe noch einen Ring, den mir die Goldschmiedin schenkte. Mit drei Steinen,
den Sternzeichensteinen meiner Eltern und mir. Ein Turmalin, ein Rosenquarz und
ein Amethyst. Ich fühlte mich geborgen dort damals. Unter Fremden. Was mehr als
dies kann Weihnachten versprechen.
Frohe
Weihnachten
Einfach
so, wie es kommt.
Fröhliche Weihnachtsfest und man sieht an deiner Geschichte wie gut ein Schritt ins Risiko sein kann wenn man mit geöffnete Tür daran geht und so kommen dir auch fremde Menschen entgegen.
AntwortenLöschenLieben Gruss Elke
Ich danke Dir sehr !! für diesen so warmen und für mich irgendwie ganz zuversichtlichen Text. Also aufzubrechen in Abendteuer und offen zu sein was kommt.
AntwortenLöschenIch träume davon eines Tage Weihnachten mit lieben Menschen in den Bergen bei Schnee und Ruhe zu genießen.
Dir ganz schöne Tage!
Grüße an Dich
Oona
Eine schöne Erinnerung :-)
AntwortenLöschenIch möchte Dir auch schöne Weihnachten wünschen mit Licht im Herzen!
Liebe Grüße und Wünsche,
anja
DAS ist eine echte Weihnachtsgeschichte - wundervoll!
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