Wenn
jemand Dir überraschend einen Café
bezahlt,
kann das einem Gewinn gleichkommen,
denn Du
lernst eine Person kennen,
die Großzügigkeit
schätzt.
(Autorin
unbekannt)
Es ist ja
politisch unkorrekt geworden, bei Starbucks ein Café zu trinken oder überhaupt
diese Kette zu betreten.
Ich
lernte Starbucks in Canada kennen bei meinem Aufenthalt in Vancouver. Zu dieser
Zeit gab es in Deutschland weder Coffeetogo noch Ketten wie diese. Wir betraten
damals den Shop und die Location überwältigte uns völlig. Der Coffeeshop war
eingebettet in eine Buchhandlung, die spezialisiert war auf Kunstbildbände.
Sozusagen ein Paradies auf Erden. Kunstkartensets von Georgia O´Keeffe neben
großformatigen DIN A2 Bänden von Giséle Freund und Judy Chicago und viele
andere Malerinnen mehr. Wir verbrachten einen halben Tag dort in großen gemütlichen
roten Ledersesseln mit einem Café Angebot, was mich völlig überforderte, aber
auch animierte, alles Mögliche zu probieren.
Da ich in
fremder Währung zahlte und ohnehin unterwegs war, ich kann mich nicht daran
erinnern, dass und ob mir die Preise für den Café zu hoch erschienen oder
waren. Die Bücher jedenfalls waren erschwinglich.
Wir
mussten genau überlegen, was zu kaufen war, denn am Ende würden wir Wochen
später mit einem Flugzeug fliegen. Am Ende kam es ganz anders, wir verschickten
nämlich Pakete, mit neuen Winterjacken, Büchern, Wanderschuhen.
Internet
gabs noch nicht, wir konnten also nicht Googlen, ob wir die Bücher auch in
Europa bekämen, auch das löste sich später auf, niemand kannte unsere Bücher
und sie wären nicht mehr zu bekommen gewesen.
Wir waren
seelig. Wieviel fröhlicher ich reagierte, als Jahre später Starbucks auch in
Berlin Fuß fasste, als Coffeetogo auch hier einzog, das muss ich nach diesem
Kennenlernen nicht erklären.
Viel
später dann geriet ich in eine Demo der Mitarbeiterinnen, und war begeistert
von ihrer Kreativität und der Bildung eines Betriebsrates und ich besuchte die
Shops nicht mehr. Zumal die Verquickung mit Kultur hier in Berlin nie
stattfand. Und Caffeetogo wurde auch out.
Aber vor einigen
Wochen hatte ich eine Stunde Wartezeit und die Bushaltestelle lag direkt an
einem Store und ich betrat den Shop. Die Möbel gemütlich, kleine Tische, ich
konnte also schreiben und überall genug Distanz. Ich bestellte mir einen
kleinen Milch Café und bekam einen Jahrhundertbecher voll und zahlte auch einen
guten Preis. Neben mir stand eine ältere Dame und sie zuckte zusammen, als die
Bedienung ihr den Preis nannte. Sie schaute in ihre Hand und es war klar, das
Geld würde nicht reichen. Ich kenne das Zusammenzucken, diesen Moment, du
willst Dir endlich etwas gönnen, vielleicht kommst Du grade aus einer
ärztlichen Untersuchung und Du musst Dich bei einem Café entspannen und denkst
nicht weiter nach. Ich lächelte sie an und legte das Geld drauf was fehlte. Sie
schaute fragend.
Ich
sagte:
„Ich habe
gestern meine Wohngeldnachzahlung bekommen, es ist kein Problem.“
Ihr wurde der Espresso liebevoll mit Wasser
dazu gereicht und ich half ihr das Gedeck zu tragen, was nämlich das nächste
Problem gewesen wäre, sie war etwas gangunsicher.
„Ich habe
überhaupt kein Wohngeld beantragt“,
war dann
ihr erster Satz, als wir nebeneinander an zwei kleinen Tischen in Coctailsessel
Imitaten saßen.
„Sollten
sie aber, so wie sie zusammengezuckt sind. Sie haben wahrscheinlich so wenige
Rente, dass sich vermutlich auch sonst jede zusätzliche Ausgabe verbietet.“
Ich lachte.
„Ich
kenne das, sie müssen sich nicht doof vorkommen“,
und dann
nannte ich ihr meine Rentenhöhe. Sie war entzückt, sie hatte nur zwei Drittel
davon.
Ihre
Miete war auf Nachfrage von mir im Verhältnis zum Einkommen ungefähr wie bei
mir.2/3 des Einkommens.
„Sie
müssen es beantragen!“
Und dann
begann ich ihr die Vorzüge aufzuzählen.
Mit dem Bescheid erhalten sie eine Bescheinigung, die sie überall vorzeigen können. Und dann werden sie erfahren, was alles geht. Kostenlose Museeumsbesuche,
kostenfreies Schwimmen in Bädern, Ermäßigung bei VHS Kursen, Zookarten sind
total günstig, insbesondere die Jahreskarten, in der Deutschen Oper gibt es
tolle Tarife mit der Bescheinigung.
„Kulturelle
Teilhabe ist mit geringem Einkommen möglich geworden!“
beendete ich
meinen enthusiastischen Vortrag.
Ich hatte
sie überzeugt.
„Wo
bekomme ich die Formulare her?“
„Haben sie
ein Handy?“
Sie zog
es heraus und ich erklärte ihr erstmal das einloggen ins Starbucknetz und dann
googelte sie eigenständig die Ausgabestellen für die Formulare.
„Haben
sie Internet? Und einen PC oder Laptop?“
Sie bejahte
und dann war auch klar, dass sie sich das Ausdrucken konnte, aber auch da waren
wir uns gleich einig, die Druckkosten waren zu hoch, also doch lieber abholen.
„Wissen
sie, es gibt Menschen, die wissen überhaupt nicht, von welchen Schwellen der
Geldknappheit wir hier sprechen.“
Sie
schaute mich vielsagend an.
Ja, das
hatte ich auch erlebt.
„Das
schlimmste ist, dass die anderen denken, wir hätten einfach nicht genug
gearbeitet oder wären sowieso faul gewesen und dann würde uns das Geld in Sozialleistungen
noch nachgetragen und sie bekämen gar nichts.“
Ich
lachte, wie gut ich das kannte.
„Wissen sie,
am Anfang fand ich das auch kränkend, mittlerweile denke ich: einfach nicht der
richtige Umgang oder andere Menschen leben in anderen Welten oder die lernen durch uns noch was über gesellschaftliche Zusammenhänge hinzu.“
Jetzt
lachte sie.
Plötzlich
wurde sie nachdenklich.
„Früher
habe ich ehrenamtlich in einer Sozialkommission mitgearbeitet und habe den
Menschen, die Sozialhilfe bekamen, die Anträge fürs Kohlengeld und die Energiekosten
nach Hause getragen. Was ich da erlebt habe, das kann sich niemand vorstellen.
Ich
glaube, da sollte ich wieder mitarbeiten.“
Dann
erzählten wir uns aus unseren Leben und Berufen und am Ende tauschten wir
unsere Rufnummern aus und sie schlug vor, dass sie mich bei Nachfragen anrufen und
bei eventueller Nachzahlung dann mich zu einem Café einladen würde.
Meine Wartezeit
von der Stunde war im Fluge vergangen und der Coffeeshop hatte bei allem wenn
und aber gegenüber der Kette einen wunderbaren Raum geboten um einander zu
begegnen und auszutauschen.
Natürlich
hat sie Wohngeld bekommen, natürlich geht sie in die Oper und besucht Museen.
Zusammen haben wir uns im Zoo unsere Lieblingstiere gezeigt. Sie macht
mittlerweile Sozialberatung in ihrer Gemeinde. Ich bin nach wie vor eine große
Anhängerin von der kulturellen Teilhabe und der abgewendeten Altersarmut von Frauen, denn
darum geht es. Frauenaltersarmut. Scham war gestern!
Einfach grossartig diese Begegnung! Und alles Liebe für Beide!
AntwortenLöschenNoch ein schönes Leben wünsche ich euch
Silvia, ohne Homepage, ohne Blog