Dienstag, 28. Oktober 2025

Fallen





Fallen


Es gibt ein Fallen

was keine sieht 

Es ist kein Gefallen

Es ist

das immer Wegfallen

das Fallen in andere Welten

ein aus dem Leben fallen

ich falle raus

ich möchte nicht verfallen

ohne Liebe

In Gottes Hand fallen wir nur im Notfall

Oder glaubst Du daran

Ja denkst Du daran

wenn Du hoch fliegst?!

Ungeachtet unseres Verfalls

Wir fallen immer wieder

Erneut und nochmal

Einmal fallen wir für immer

Oder warum sind wir hierher gefallen?!

Für immer und ewig!

Es gibt ein Fallen...

Wir kennen es alle









Montag, 27. Oktober 2025

Wundersame Geschichte/DER BRIEF

 


 

Wundersame Geschichte/ Der Brief

 

Es gibt Wonderstories und es gibt Geschichten, denen wohnt irgendwie etwas Wunder inne, aber doch eher wundersames. Dies ist eher so eine Geschichte…und es ist auch eine tragische Geschichte…

 

Es ist so, dass mich Kisten mit einem Hinweis ZU VERSCHENKEN, die auf der Straße oder in Hauseingängen stehen, magisch anziehen. Geschenke sind ohnehin toll und wenn ich mir dann sogar Geschenke einfach mal so aussuchen kann und wenn dann noch die Spannung dazu kommt, WAS IST ÜBERHAUPT DRIN IM KARTON, dann gibt es bei mir kein Halten mehr und ZACK bin ich dran.

 

So auch in diesem Fall.

Ich erinnere weder Ort noch Buch noch Zeitraum. Ich weiß nur, ich öffnete ein Buch, das mich doch immerhin interessiert haben muss und heraus fiel ein Brief. Manchmal sind es Karten oder inliegende Wünsche, die sich an Personen richten, denen dieses Buch zugeeignet wird. Das hier war anders. Es war ein langer Brief und der hatte mit dem Buch auf den ersten Blick nichts zu tun. Die Schrift war etwas schwer zu entziffern, aber es gelang mir grob. Ohne weiter nachzudenken, steckte ich den Brief in meine Handtasche.

 

Zuhause dann setzte ich mich in die Küche und begann den Brief zu entziffern.

Der verzweifelte Brief einer alten Frau an ihre Tochter.

 

Liebe Helga

Kommst Du mich bald besuchen?

Ich habe so Sehnsucht nach Dir.

Liebe Helga, kannst Du mir etwas Geld schicken, ich habe keines. Kannst Du mir etwas geben, bitte, bitte.

Es ist ein Jammer, dass ich so arm bin.

Ein bisschen genügt schon.

Kannst Du mich mal besuchen? Ich besuche Dich auch, wenn es geht.

Es ist ein Jammer.

Ich bin so traurig. Ich muss Dir noch meine Adresse schreiben…

 

Und hier wurde die Schrift undeutlich auf den ersten Blick.

 

Liebe Grüße von Deiner Mutti!

 

 

Dieser Brief hat mich damals ziemlich aufgewühlt und ich war so ergriffen von dieser Not und dieser Angewiesenheit. Und davon, dass jemand diesen Brief einfach so mit hinausgelegt hatte. Am nächsten Tag lief ich zu dem Haus, in dessen Eingang diese Kiste stand, aber ich fand niemanden mit diesem Namen und dachte dann, so ist es manchmal. Nimm den Brief und tue ihn irgendwohin, vielleicht machst Du irgendwann mal was damit.

 

Es vergingen einige Jahre.

In der letzten Woche besuchte ich eine Ausstellung mit Bildern von Sarah Schumann. Silvia Bovenschen, mit der sie zusammenlebte, hatte ein Buch über sie geschrieben, Sarahs Gesetz, ich wollte das nun nach dem Betrachten der vielen Collagen und Bilder unbedingt wieder lesen. Ich wusste, dass ich es hatte.

Und wo ich nun schon dabei war, holte ich auch das Buch ÄLTER WERDEN von selbiger Autorin aus dem Regal.  Ich schlug es auf und das stand der Name der Tochter. Plötzlich erinnerte ich den Namen. Und ich holte den Brief raus aus meinen Unterlagen und da traf es mich gleich noch einmal:
Plötzlich konnte ich die Adresse der Mutter lesen:
Waldschluchtpfad

Krankenhaus Hohengatow

 

Eine Geriatrie, in der ich 13 Jahre lang als evangelische Seelsorgerin gearbeitet hatte.

Eine Geriatrie, in der wirklich arme Menschen aus Spandau, zumeist ehemalige Arbeiterinnen von Siemens ein Leben lang gearbeitet hatten und ohne staatliche Unterstützung nicht leben konnten.

Frauen, die viel zu stolz waren, staatliche Mittel zu beantragen.

Ich arbeitet ehrenamtlich für eine Sozialkomission, in der wir diese alten Menschen berieten, mit ihnen Kohlegelder beantragten und Kleidergelder auch. Ich kenne ihren Stolz und ihre Erleichterung, wenn sie merkten, wir gut es tat, etwas mehr Geld zu bekommen. Menschen, deren Wohnungen blitzeblank geputzt waren, deren Kühlschränke unter den Fenstern leer waren und die Kohlekisten auch. Nach dem Besuch von uns änderte sich das. Plötzlich standen auf dem Tisch kleine Schalen mit Mandarinen und die Kohleschränke blinkten schwarz vor Briketts. Und die alten Menschen lachten manchmal etwas. So viel Armut habe ich in Berlin damals öfter gesehen. Neukölln, Wedding und Spandau.

Ich kenne diese Geschichten bis heute. Meine Lebensgefährtin kam aus Spandau und deren Kindheit trug sich unter genau diesen Umständen zu.

Das stand mir plötzlich alles wieder vor Augen.

Und ich wusste plötzlich, dass der Brief im Buch ÄLTER WERDEN von Silvia Bovenschen gelegen hatte.

 

Der Bogen, der sich damit schließt, ist diese kleine wundersame Geschichte.

Es ist ein Jammer, dass die Armut noch immer bei alten Frauen liegt.

Diese Armut ist ein Jammer.

Es war mutig von dieser alten Frau, diesen Brief zu schreiben.

Ich möchte hiermit meinen Respekt zeigen und mein Mitgefühl.

Wir wissen alle nicht, wie diese Geschichte endete.

Wir wissen nur, dass die Tochter den Brief erhalten und aufbewahrt hat.

Mehr wissen wir nicht.

 





Sonntag, 26. Oktober 2025

UNBEKÜMMERT



Ohne Kummer

meinen Weg gehen

Unbekümmert

weiße leere umbetretene

Papiere beschmieren

darauf Worte verteilen

Erinnerungen ausbreiten

Ideen ausmalen

Pläne schmieden

Überraschungen finden

Leidenschaft nein

Sinnlichkeit JA

mit allen Sinnen

Wunder ersinnen

dichten 

verdichten

Farben ausbreiten

Gestalten fliegen lassen

Ach ja

Unbekümmert leben

Das will ich

aus tiefer Seele

Sehnsucht

JA

Montag, 13. Oktober 2025

WUNDERTÜTEN





Wundertüten erinnere ich gut. Ihre Verheißungen waren aber immer besser als ihr Inhalt. Das fand ich als Kind eine große Enttäuschung. Unter Wundern hatte ich mir ganz was anderes vorgestellt, aber was eigentlich?! Ich vermute alles, was glänzte und leuchtete oder Lieblingslutscher und andere besondere Naschwaren. Später gabs die ja auch in den Alternativen Märkten und Zusammenhängen. Aber auch da Enttäuschung! Bis ich endlich begriff, dass ich selber eine Wundertüte bin und alle Menschen um mich rum auch. Alle unsere Träume und Wünsche suchen uns doch, weil sie wissen, wir können sie uns erfüllen. Wenn wir denn wollen. Wenn ich Glanz und Farbe will, na dann nichts wie ran an alles, was dies hergibt. 





Als Kind liebte ich Modeschmuck. Meine Eltern waren völlig überfordert mit meinen Vorlieben, also klaute ich bei Bilka die schärfsten Ohrringe in kunterbuntem Plastik. Taschengeld gab es nicht. Alles ging gut , bis mein Klassenlehrer bei meinen Eltern anrief und sich darüber aufregte, dass ich herausgeputzt wäre wie ein Pfingstochse. Meine Eltern wussten ja nichts vom gestohlenen Zeug. Als mein Vater mich zur Rede stellte, holte ich mein kleines Täschchen, auch geklaut, raus und führte meine Schätze vor. Ihr hättet meine Eltern sehen sollen, sie konnten sich kaum halten vor Lachen. Ich war sturzbeleidigt. Woher ich denn diese Ideen hätte. Ganz einfach, meine Patentante Gerda, Chefsekretärin bei Herlitz, die bei uns ein und ausging, trug solchen Schmuck und ich fand das hinreißend. Ok, es ging so aus, dass Sie mir zukünftig Schmuck schenken würde und in diesem Falle mit mir zusammen losziehen würde. 


Klauen fiel untern Tisch und wurde kein Drama. Aber mein Vater machte eine wegweisende Bemerkung: klauen ist doof, wenn Du jemandem etwas klaust, wird Dir auch jemand etwas wegnehmen, es kommt immer alles zu uns zurück, was wir reingeben in die Welt. Was Du nicht willst, was eine Dir tu, das füge keiner anderen zu. 


Außerdem bekam ich Taschengeld, und ich durfte mir davon kaufen, was ich wollte. Modeschmucktragen wurde in die Zeit außerhalb der Schule verlegt, aber der Lehrer wurde trotzdem rundgemacht wegen der Bewertung.

So wurde also eine unangenehme Lebenssituation zur Wundertüte.

Das Leben ist eine Wundertüte. Menschen sind Wundertüten, meistens leuchtend, manchmal enttäuschend, aber dies auch nur, weil wir in diese Wundertüten etwas hineingedacht hatten, was da nicht war.

Soviel heute zu WUNDERTÜTEN





Mittwoch, 8. Oktober 2025

BETTELGELD

 





BETTELGELD

 

 

Es ist ein Großstadtproblem, oder sage ich doch eher THEMA. Bin ich einen halben Tag in der Stadt auf unterschiedlichen Wegen unterwegs, werde ich sicherlich mindestens dreimal um Geld gebeten. Betteln gehörte in meiner Kindheit nicht zum öffentlichen Raum. Selbst Sinti oder Roma, wir nannten sie damals Fahrendes Volk verkauften an Wohnungstüren diverse Waren, von Bürsten über Seifen und Teppichen gab es vieles. Wir kauften immer etwas, meine Mutter tat dies aus Prinzip, wie sie es erklärte. Eine Seife brauchten wir immer. Heute ist der öffentliche Raum zum Betteln ALLTAG.

Was machen, wenn eine selber eher wenig hat? Ich sage immer, alles Kleingeld in einer Hosen- oder Jackentasche und einfach weggeben. Ich habe eine Freundin, die generell jeder und jedem bettelndem Menschen oder denen, die etwas darbieten Geld gibt. Sie hat dafür extra eine kleine Plastikbörse, da ist immer genug drin. Als wir mal kein Geld fanden, um Eis essen zu gehen, da holte sie es hervor, wir hätten noch viel mehr Eis essen können, als wir es dann taten. Das hat mir gut gefallen und im nächsten Adventskalender schenkte sie mir auch so eine Börse, mit einem Euro drin.

Heute habe ich in meiner Küche eine Bettelgeldschale, ein Dezilitermaß aus Schweden. Da werfe ich abends immer alles Kleingeld hinein und am nächsten Morgen fülle ich blindlings daraus mein Geldtäschchen. Irgendwas kommt immer zusammen.

Betteln ist Arbeit. Arbeit gehört bezahlt. So einfach ist das. Selbst als Rentnerin mit wirklich wenig Geld habe ich sehr viel mehr als die Bettlerin unter der Brücke. So einfach ist das.

In der Bibel heißt es: wer sich der Armen erbarmt, ehrt Gott.

Ich habe das umformuliert in:

Wer sich armer Menschen erbarmt, erbarmt sich seiner/ihrer selbst, denn die bettelnde Frau dort kann auch ich sein. Und wir ehren einander. Ich die Bettelnde Frau durch die Wahrnehmung und Achtung und sie mich durch die Erinnerung daran, dass wir alle verbunden sind.

Und bitte nie sagen, ich kann nichts geben, ich habe kein Kleingeld. Dann gib einen Fünfeuroschein, auch die sammele ich in einer kleinen Blechdose. 

Versuchs mal, Geld zu teilen ist echt toll!