Sonntag, 3. April 2016

U Bahn Stories/ Café Cafétrinken Cafépause





U Bahn Stories Café Café trinken Café Pause
Auf dem Weg Nachhause in der U1sind die Waggons um die 3. Stunde noch nicht überfüllt. Die Sitzplätze sind sehr großzügig zu besetzen und die Auswahl zeigte sich auch an diesem Montag fast übermütig. Schon bei Betreten des Abteils zog mich der Duft frisch gebrühten Cafés an. Coffee to go…TOGO wie meine Freundin das immer provokant ausspricht. Sie hält gar nichts davon…ich bin auch keine Freundin von dieser Angelegenheit im Laufen.
Trotzdem genoss ich den Duft und setzte mich neben eine alte Frau, die vermutlich  mindesten 80 Jahre in den Knochen hatte. Es gibt sie noch in bestimmten Bezirken, diese alten Frauen, ungeschminkt, schlohweiße Haare, untoupiert, mit weißen Schildplattkämmen glatt aus dem Gesicht frisiert. Festes Schuhwerk, Perlonstrümpfe durchsichtig und Röcke tief übers Knie, praktische und lauffeste Personen. Beweglich und zuweilen lautstark berlinernd. Als ahnte sie meine Abwehr gegenüber leichtfüssigem Kaffee, begann sie mich auch gleich anzusprechen. Sie würde den Geruch so mögen, aber dieses so zwischendurch auf dem Weg beim Laufen, das wäre doch ungemütlich und nehmen Sie´s mir nicht übel, das sagte sie zu der jungen Frau mit dem Becher in der Hand, stillos. Das aus ihrem Mund hatte was. Stil wäre jetzt nicht so das erste gewesen, was ich ihr zugeordnet hatte, aber es stimmt.
Ich lachte und fragte sie, wie sie das meinte.


Na mal im Ernst, sie schaute mich an und versuchte mein Alter zu schätzen, dann war sie sich sicher, ich könnte in ihre Generationserfahrung hineinpassen.
Haben Sie ihre Mutter jemals mit einer Tasse Kaffee auf dem Bahndamm gesehen, wohlmöglich sie noch an der Hand? Wann hat ihre Mutter Kaffee getrunken?
Ich überlegte. Morgens zum Frühstück und nachmittags, wenn wir nach dem Mittagessen zusammensaßen.
Ha, sie lachte auf, hach, sie sprechen von Mittagessen, das gab es also auch noch bei ihnen. Ich lachte.
Ja, meine Mutter hatte sich traditionell in die Rolle der Hausfrau eingefunden und hatte jeden Tag Mittagessen gekocht und morgens und nachmittags Kaffee gertrunken. Werktags tranken wir den in der Küche am Küchentisch aus Melitta Geschirr. Am Wochenende und den Feiertagen hielt sie dafür ein feines Porzellangeschirr bereit und wir tranken im Wohnzimmer den Kaffee. Immer handgebrüht, immer aus großen Kannen in kleine Tassen frisch gegossen. Es gab einen vier- und einen Sechstassenfilter, aus Porzellan. Ich weiß das so genau, weil dies alles in meinem Besitz ist.
Später dann, in den 70ziger Jahren kaufte meine Mutter handgetöpferte Becher. Da tranke meine Eltern aber auch schon regelmäßig Tee.
Genau, kam die alte Dame ins Gespräch zurück, Sie haben gefiltert, wir haben aufgebrüht direkt in die Kanne. Aber niemand von uns wäre jemals auf die Idee gekommen, Kaffee aus Pappbechern zu trinken. Niemand wäre auf die Idee gekommen, sich dafür KEINE ZEIT zu nehmen. Ich war berufstätig. Ich habe abends beim Nachhause kommen zuerst einen Kaffee aufgesetzt und dann die Schuhe ausgezogen und dann in heißen Schlucken den Tag verkraftet. Kaffee hat geholfen, die Anstrengung zu tragen.
Ich musste lächeln. Ich mache es ähnlich. Raus aus den Klamotten und an den Kessel und Wasser aufsetzen, den Filter bestücken, ein Lot Kaffee und dann aufgebrüht und durchgeatmet.
Aber wie oft trank ich mittlerweile Kaffee auf der Arbeit gedankenlos und vor allem PAUSEN los.
Ich beschloss, sofort damit aufzuhören und die gut gedachte Pause nur mit einem HEESSEN, wie die Berlinerin sagt, wieder für mich einzuführen.
Die Sonne strahlte uns beim Gespräch ins Gedicht. Sie lächelte und schaute mich freundlich an. Früher gab’s noch die gute Stube und die gemütliche Küche als Orte für den Kaffee und Heute ist kein Ort mehr heilig dafür, oder?
Nö, aber eins ist doch ganz gut geworden, warf ich ein, die Frage nach Kännchen oder Tasse gibt’s nicht mehr und das DRAUSSEN SEVIEREN WIR NUR KÄNNCHEN och nicht. Jetzt mussten wir beide grinsen. Nicht jede konnte sich nämlich ein Kännchen leisten. Aber, hob ich an, die Tasse Kaffee bei Tchibo für 35 Pfennig oder bei Bilka für zwei Groschen, die gingen doch immer.
Der Glanz auf ihrem Gesicht wurde ganz hell. Sie kennen BILKA noch? Na klar, Bilka und sein Café abzuschaffen bedeutete der Untergang für viele Gemeinschaften ohne viel Geld. Ich kenne sogar eine Schriftstellerin, die ihren ersten Roman ganz bei Bilka in Kreuzberg geschrieben hat, unter dem Genuss vieler Tassen Kaffee.
Mittlerweile wusste ich, wir sollten dies Gespräch mit einem Café am Gleisdreieck beenden. Ich schlug ihr dies vor und sie willigte neugierig ein.
Beim Aussteigen stellte sie fest: die junge Frau hat nicht einmal aus ihrem Becher getrunken und gehört hat se och nischt, die war ja an den Ohren verstöpselt. Ja sage ich, es hat sich sehr viel verändert in unseren Lebenszeiten.


Das Café Eule mitten in einer Gartenanlage kannte sie noch nicht. Als ich beim Bestellen bemerkte, dass ich mein Portemonnaie auf der Arbeit hatte liegen gelassen, merkte sie, dass es noch etwas gab, was es eigentliche nicht mehr gab.
Ute, ich schreibe Dir das an und Du zahlst beim nächsten Mal.
Anschreiben? Sie lachte, das gibt’s doch och nicht mehr oder?!
Nee, nur noch sehr selten, aber darüber würden wir beim nächsten Mal reden, jetzt genossen wir die Stille, die Sonne, den Schwarzen in der Porzellantasse und die frische Sahne im Henkeltöpchen zum reingießen. Wir machten eine Cafépause. In dem Kiez, in dem wir beide Zuhause waren. Ich war mir sicher, sie hätte noch einen richtigen Küchentisch und ich hatte die Porzellanfilter…und jede Menge Kaffeekannen.
Lasst Euch den Café schmecken und überlegt, ob Ihr die Pausen auch wieder einführen wollt. Beim Tee verhält es sich übrigens nicht anders. Die schnelle Tasse in Beuteln kurz reingehängt zwischendurch ist KULTURLOS, wenn es mit dem Tee ernst gemeint ist. 
Auf die Pausen im Leben und den Genuss, den wir uns bereiten! Achtsamer Umgang mit Kaffee und Tee.
Beim nächsten Kaffee saßen die alte Frau und ich uns übrigens mitten im Markttreiben auf dem Winterfeldtplatz bei Gül gegenüber, da sehen sich die Berlinerinnen aus Schöneberg nämlich.

11 Kommentare:

  1. schön dein Erlebnis mit der ältere Frau und mit dem Kaffe trinken.Ich habe es förmlich mit erlebt...
    das sind wirklich Begegnungen die einen wieder an das denken lassen die Hektik raus zu nehmen beim Kaffetrinken und bewusster zu tun...Genussvoll!!!!
    Lieben Gruss Elke

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    1. genau, genießen, was Du ja auch so magst und brauchst, schön, dies zu wissen herzlich Ute

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  2. Liebe Ute,
    das nenne ich mal eine Begegnung, wundervoll! Was gibt es schöneres als nach der Arbeit einen Kaffeeplausch zu halten und sich dieser genussvollen Pause bewusst zu sein... übrigens, ich liebe Filterkaffee, kenne auch noch die kleinen Tüten. Es war damals genauso bei uns...
    Herzliche Grüsse, Sichtwiese

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    1. ja die KLEINEN Tüten, Ach Filterkaffee jede Tasse einzeln gebrüht, welch ein Luxus an Aufmerksamkeit oder? Grüße aus dem KAFFEEBERLIN

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  3. wunderschöner, ehrlicher Text. Vielen Dank.
    Liebe Grüße aus dem Schwarzwald, Susanne

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    1. Grüße zurück, in den Schwarzwald, dessen Landschaft und Menschen mir sehr angenehm in Erinnerung sind

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  4. Ich finde deine Geschichten immer wieder klasse, wie schnell sich einfach so in der U-Bahn bei dir Gespräche entwickeln und wie offen du auf die Leute zu gehst. Davon würde ich mir gern eine Scheibe abschneiden :) Ich trinke zwar keine Kaffee, aber ich verstehe was du meist. Man nimmt sich einfach keine Zeit mehr für die kleinen Dinge des Lebens, sie auch zu genießen. Dabei sind dies doch mit unter die wichtigsten. Ich halte auch nichts von ToGo und FastFood, es ist ein Vergewaltigung der Esskultur!
    Liebe Grüße Franzi alias Anshara

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  5. Liebe Franzi, Dankeschön für die liebevolle Rückmeldung. Schön zu wissen, dass auch DU hier immer weider vorbeischaust.
    Schönes Wochenende Dir aus Berlin

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  6. Was für eine wunderschöne Geschichte wieder! Danke. Geschichten, die das U-Bahn-Leben schreibt :) Du hast allerdings auch eine besondere Gabe auf Menschen zu- und einzugehen :)

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    1. ach DU bist ja so eine treue UBAHNSTORIES LESERIN DANKE für beide Komplimente

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  7. Ich liebe deine Geschichten, so wundervoll herzlich und ehrlich geschrieben :-)
    Danke dir liebe Ute <3

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