U Bahn
Stories Café Café trinken Café Pause
Auf dem Weg
Nachhause in der U1sind die Waggons um die 3. Stunde noch nicht überfüllt. Die
Sitzplätze sind sehr großzügig zu besetzen und die Auswahl zeigte sich auch an
diesem Montag fast übermütig. Schon bei Betreten des Abteils zog mich der Duft
frisch gebrühten Cafés an. Coffee to go…TOGO wie meine Freundin das immer
provokant ausspricht. Sie hält gar nichts davon…ich bin auch keine Freundin von
dieser Angelegenheit im Laufen.
Trotzdem genoss
ich den Duft und setzte mich neben eine alte Frau, die vermutlich mindesten 80 Jahre in den Knochen hatte. Es gibt sie
noch in bestimmten Bezirken, diese alten Frauen, ungeschminkt, schlohweiße
Haare, untoupiert, mit weißen Schildplattkämmen glatt aus dem Gesicht frisiert. Festes
Schuhwerk, Perlonstrümpfe durchsichtig und Röcke tief übers Knie, praktische und
lauffeste Personen. Beweglich und zuweilen lautstark berlinernd. Als ahnte sie meine
Abwehr gegenüber leichtfüssigem Kaffee, begann sie mich auch gleich anzusprechen. Sie würde den Geruch so mögen,
aber dieses so zwischendurch auf dem Weg beim Laufen, das wäre doch ungemütlich
und nehmen Sie´s mir nicht übel, das sagte sie zu der jungen Frau mit dem Becher
in der Hand, stillos. Das aus ihrem Mund hatte was. Stil wäre jetzt nicht so
das erste gewesen, was ich ihr zugeordnet hatte, aber es stimmt.
Na mal im
Ernst, sie schaute mich an und versuchte mein Alter zu schätzen, dann war sie
sich sicher, ich könnte in ihre Generationserfahrung hineinpassen.
Haben Sie
ihre Mutter jemals mit einer Tasse Kaffee auf dem Bahndamm gesehen, wohlmöglich
sie noch an der Hand? Wann hat ihre Mutter Kaffee getrunken?
Ich
überlegte. Morgens zum Frühstück und nachmittags, wenn wir nach dem Mittagessen
zusammensaßen.
Ha, sie
lachte auf, hach, sie sprechen von Mittagessen, das gab es also auch noch bei
ihnen. Ich lachte.
Ja, meine
Mutter hatte sich traditionell in die Rolle der Hausfrau eingefunden und hatte
jeden Tag Mittagessen gekocht und morgens und nachmittags Kaffee gertrunken. Werktags
tranken wir den in der Küche am Küchentisch aus Melitta Geschirr. Am Wochenende
und den Feiertagen hielt sie dafür ein feines Porzellangeschirr bereit und wir
tranken im Wohnzimmer den Kaffee. Immer handgebrüht, immer aus großen Kannen in
kleine Tassen frisch gegossen. Es gab einen vier- und einen Sechstassenfilter,
aus Porzellan. Ich weiß das so genau, weil dies alles in meinem Besitz ist.
Später dann,
in den 70ziger Jahren kaufte meine Mutter handgetöpferte Becher. Da tranke meine Eltern aber auch schon regelmäßig Tee.
Genau, kam
die alte Dame ins Gespräch zurück, Sie haben gefiltert, wir haben aufgebrüht
direkt in die Kanne. Aber niemand von uns wäre jemals auf die Idee gekommen,
Kaffee aus Pappbechern zu trinken. Niemand wäre auf die Idee gekommen, sich
dafür KEINE ZEIT zu nehmen. Ich war berufstätig. Ich habe abends beim Nachhause
kommen zuerst einen Kaffee aufgesetzt und dann die Schuhe ausgezogen und dann
in heißen Schlucken den Tag verkraftet. Kaffee hat geholfen, die Anstrengung zu
tragen.
Ich musste
lächeln. Ich mache es ähnlich. Raus aus den Klamotten und an den Kessel und
Wasser aufsetzen, den Filter bestücken, ein Lot Kaffee und dann aufgebrüht und
durchgeatmet.
Aber wie oft
trank ich mittlerweile Kaffee auf der Arbeit gedankenlos und vor allem PAUSEN
los.
Ich beschloss,
sofort damit aufzuhören und die gut gedachte Pause nur mit einem HEESSEN, wie die Berlinerin sagt, wieder
für mich einzuführen.
Die Sonne
strahlte uns beim Gespräch ins Gedicht. Sie lächelte und schaute mich
freundlich an. Früher gab’s noch die gute Stube und die gemütliche Küche als
Orte für den Kaffee und Heute ist kein Ort mehr heilig dafür, oder?
Nö, aber
eins ist doch ganz gut geworden, warf ich ein, die Frage nach Kännchen oder Tasse
gibt’s nicht mehr und das DRAUSSEN SEVIEREN WIR NUR KÄNNCHEN och nicht. Jetzt mussten
wir beide grinsen. Nicht jede konnte sich nämlich ein Kännchen leisten. Aber, hob ich
an, die Tasse Kaffee bei Tchibo für 35 Pfennig oder bei Bilka für zwei
Groschen, die gingen doch immer.
Der Glanz
auf ihrem Gesicht wurde ganz hell. Sie kennen BILKA noch? Na klar, Bilka und
sein Café abzuschaffen bedeutete der Untergang für viele Gemeinschaften ohne
viel Geld. Ich kenne sogar eine Schriftstellerin, die ihren ersten Roman ganz bei Bilka in Kreuzberg geschrieben hat, unter dem Genuss vieler Tassen Kaffee.
Mittlerweile
wusste ich, wir sollten dies Gespräch mit einem Café am Gleisdreieck beenden.
Ich schlug ihr dies vor und sie willigte neugierig ein.
Beim
Aussteigen stellte sie fest: die junge Frau hat nicht einmal aus ihrem Becher getrunken
und gehört hat se och nischt, die war ja an den Ohren verstöpselt. Ja sage ich,
es hat sich sehr viel verändert in unseren Lebenszeiten.
Das Café Eule mitten in einer Gartenanlage kannte sie noch nicht. Als ich beim Bestellen bemerkte, dass ich mein Portemonnaie auf der Arbeit hatte liegen gelassen, merkte sie, dass es noch etwas gab, was es eigentliche nicht mehr gab.
Das Café Eule mitten in einer Gartenanlage kannte sie noch nicht. Als ich beim Bestellen bemerkte, dass ich mein Portemonnaie auf der Arbeit hatte liegen gelassen, merkte sie, dass es noch etwas gab, was es eigentliche nicht mehr gab.
Ute, ich
schreibe Dir das an und Du zahlst beim nächsten Mal.
Anschreiben?
Sie lachte, das gibt’s doch och nicht mehr oder?!
Nee, nur
noch sehr selten, aber darüber würden wir beim nächsten Mal reden, jetzt
genossen wir die Stille, die Sonne, den Schwarzen in der Porzellantasse und die
frische Sahne im Henkeltöpchen zum reingießen. Wir machten eine Cafépause. In dem Kiez, in dem
wir beide Zuhause waren. Ich war mir sicher, sie hätte noch einen richtigen
Küchentisch und ich hatte die Porzellanfilter…und jede Menge Kaffeekannen.
Lasst Euch den
Café schmecken und überlegt, ob Ihr die Pausen auch wieder einführen wollt.
Beim Tee verhält es sich übrigens nicht anders. Die schnelle Tasse
in Beuteln kurz reingehängt zwischendurch ist KULTURLOS, wenn es mit dem Tee ernst gemeint ist.
Auf die Pausen im Leben und den Genuss, den wir uns bereiten! Achtsamer Umgang mit Kaffee und Tee.
Beim nächsten Kaffee saßen die alte Frau und ich uns übrigens mitten im Markttreiben auf dem Winterfeldtplatz bei Gül gegenüber, da sehen sich die Berlinerinnen aus Schöneberg nämlich.
Auf die Pausen im Leben und den Genuss, den wir uns bereiten! Achtsamer Umgang mit Kaffee und Tee.
Beim nächsten Kaffee saßen die alte Frau und ich uns übrigens mitten im Markttreiben auf dem Winterfeldtplatz bei Gül gegenüber, da sehen sich die Berlinerinnen aus Schöneberg nämlich.
schön dein Erlebnis mit der ältere Frau und mit dem Kaffe trinken.Ich habe es förmlich mit erlebt...
AntwortenLöschendas sind wirklich Begegnungen die einen wieder an das denken lassen die Hektik raus zu nehmen beim Kaffetrinken und bewusster zu tun...Genussvoll!!!!
Lieben Gruss Elke
genau, genießen, was Du ja auch so magst und brauchst, schön, dies zu wissen herzlich Ute
LöschenLiebe Ute,
AntwortenLöschendas nenne ich mal eine Begegnung, wundervoll! Was gibt es schöneres als nach der Arbeit einen Kaffeeplausch zu halten und sich dieser genussvollen Pause bewusst zu sein... übrigens, ich liebe Filterkaffee, kenne auch noch die kleinen Tüten. Es war damals genauso bei uns...
Herzliche Grüsse, Sichtwiese
ja die KLEINEN Tüten, Ach Filterkaffee jede Tasse einzeln gebrüht, welch ein Luxus an Aufmerksamkeit oder? Grüße aus dem KAFFEEBERLIN
Löschenwunderschöner, ehrlicher Text. Vielen Dank.
AntwortenLöschenLiebe Grüße aus dem Schwarzwald, Susanne
Grüße zurück, in den Schwarzwald, dessen Landschaft und Menschen mir sehr angenehm in Erinnerung sind
LöschenIch finde deine Geschichten immer wieder klasse, wie schnell sich einfach so in der U-Bahn bei dir Gespräche entwickeln und wie offen du auf die Leute zu gehst. Davon würde ich mir gern eine Scheibe abschneiden :) Ich trinke zwar keine Kaffee, aber ich verstehe was du meist. Man nimmt sich einfach keine Zeit mehr für die kleinen Dinge des Lebens, sie auch zu genießen. Dabei sind dies doch mit unter die wichtigsten. Ich halte auch nichts von ToGo und FastFood, es ist ein Vergewaltigung der Esskultur!
AntwortenLöschenLiebe Grüße Franzi alias Anshara
Liebe Franzi, Dankeschön für die liebevolle Rückmeldung. Schön zu wissen, dass auch DU hier immer weider vorbeischaust.
AntwortenLöschenSchönes Wochenende Dir aus Berlin
Was für eine wunderschöne Geschichte wieder! Danke. Geschichten, die das U-Bahn-Leben schreibt :) Du hast allerdings auch eine besondere Gabe auf Menschen zu- und einzugehen :)
AntwortenLöschenach DU bist ja so eine treue UBAHNSTORIES LESERIN DANKE für beide Komplimente
LöschenIch liebe deine Geschichten, so wundervoll herzlich und ehrlich geschrieben :-)
AntwortenLöschenDanke dir liebe Ute <3