Samstag, 26. Oktober 2013

Ammit die Göttin des Monats, der Nachtrag 2…







Ammit
die Göttin des Monats,
der Nachtrag 2…

2013 schrieb ich bisher über zehn Göttinnen.
Manchmal assoziierte ich vom ersten Satz an oder beschrieb   die Göttinnen innerhalb eines Erlebnisses. Meine Rituale und Reflektionen notierte ich in meinen Tagebüchern. Nicht alles ist für einen Blog geeignet, erweist sich als zu intim. Mit Ammit schien es mir sofort unmöglich für den Blog zu schreiben. Aber sie ließ mich auch nicht los, diese Göttin.

 Die Möglichkeit des Todes verunsicherte mich. Wessen Herzen wogen schwerer als eine Feder, wessen Herzen würden gefressen werden? Der Tod begleitet mich schon viele Jahre. Meine eigene Endlichkeit wog erst vor einem Jahr schwer, mein Herz wog schwerer als mein ganzer Leib, so nahm ich das damals wahr.

Ich finde, Ammit ist für mich eine schwer zu greifende Göttin.
Als meine Mutter ins Krankenhaus kam, wogen die Herzen unserer Familie alle schwer, aus unterschiedlichen Gründen.
Meine Gründe  
1. Das rechte Maß in der Begleitung , was ich finden wollte.
2. Die Hoffnungen, alle Entscheidungen in ihrem Sinne zu treffen und zu wissen, dass nur der Vater, also ihr Mann dies entscheiden wird.
3. Die Hoffnungsfreien Zonen, in denen Familienstrukturen wirbeln.
4. Die Grenzen meiner Beziehung zu meiner Munter für mich zu klären und für Neues offen zu bleiben.
5. Schöne Momente in diesem Prozess zu bewahren und für sie mit zu wahren und diese Augenblicke auch wieder vergehen zu lassen.

LOSLASSEN
Einfach geschehen lassen
Keine Kämpfe
Keine Bewertungen
Meine Trauer zulassen
Den Humor auch
Bei mir bleiben und den Wirbel der anderen vorbeiziehen lassen

Jetzt, wo ich das schreibe, da erscheint Ammit mir leichtherzig und ich fühle mich auch federleicht. So geht es leichter mit dem Leben und dem Sterben, Momente weise jedenfalls und immer wieder.

Im November ist übrigens KUBABA meine Göttin des Monats.
Vor einem Jahr hatte sie meine Genesung begleitet. 
Im nächsten Jahr möchte ich mich nur einer einzigen Göttin widmen.
Darüber am Jahresende dann mehr.

 

LANGER ABSCHIED/Nachklänge zur Göttin des Monats AMMIT





LANGER ABSCHIED

Warmer Morgen
Milder Schein
Es könnt´
Auch heut´
Ein Tag im Herbst
Zum Sterben schön
Wohl sein.

Das gelbe Laub
Die roten Beeren
Es braucht´
Ein Ziel
Um herzensfroh
Mit Kraft zu leben.

Ein jeder Sinn
Geht Dir verloren
Erst Schmecken
Riechen, nun
Leis´ die Ohren
Das Gleichgewicht
Fehlt lange schon
Du taumelst durch die Welt
Ganz ohne Lust und Freuden
Von Pflicht und Wut und Selbstverlust
Durchs Leben.

Wenn du nun
Gehst
Mit allen Sinnen
Du gehst
Nur du wirst
Es bestimmen
In welchem Licht
Mit welchem Schein
Dein Gehen wird
Begleitet sein
Ich wünsch Dir deinen Frieden.

Freitag, 25. Oktober 2013

Steinreich




Steinreich

Kein Geld übrig
Viel Inhalt im Kopf
Kein Geld übrig
Viel Leben zu tun
Kein Geld übrig
Viel Freundschaft zu treffen
Kein Geld übrig
Viele Farben zum Malen im Haus
Kein Geld übrig
Viele Geschichten zum Schreiben im Kopf
Kein Geld übrig
Viel Bücher zum Lesen neben dem Bett und überall
Kein Geld übrig
Genug CDs und Musik im Leib um zu tanzen
Kein Geld übrig
mehrere Musikinstrumente im Haus zum Spielen
Kein Geld übrig
Und ein sehr reiches Leben
Und immer alles da, was ich wirklich brauche
REICH
DANKE

Freitag, 18. Oktober 2013

WENN DAS LEBEN SICH ENDLICH ZEIGT





Wenn die Leben sich endlich zeigen

Als der Alterungsprozeß bei meinen Eltern einsetzte, fühlte ich mich zuerst verloren, dann betrogen, dann wurde ich bockig und zickig und erst dann, als alles in mir durchgelaufen und abgearbeitet war, begann die wirkliche Begegnung mit dem Alter und es begann ebenso die Auseinandersetzung mit meinem eigenen Alter. Erst zu diesem Zeitpunkt fühlte ich die  Aussöhnung.
Mein Vater beschrieb seine Wahrnehmung zum Altwerden einmal so: dass ich bekloppt werden könnte, mich nicht erinnern oder nur schwer konzentrieren würde, damit habe ich gerechnet, aber nicht damit, dass mein Körper mich im Stich lassen würde.
Meine Mutter war die DEUTSCHE EICHE in unserer Familie. Ich kann diese Selbst- und Fremdbeschreibung schon seit vielen Jahren nicht mehr hören. Wenn ich mir die kranken Eichenwälder anschaue und ihren Verfall im Angesicht unserer Naturverfehlungen, dann sehe ich auch die grenzenlose Überforderung meiner Mutter, deren Körper schon lange nicht mehr stark und kerngesund agiert, sondern sich erschöpft, müde und ruhelos irgendwie durch alle Tage schleppt. Meine Munter leidet seit vielen Jahren unter Schwindelanfällen, die ihre Lebensqualität erheblich einschränkt.
Als die Beweglichkeit meiner Eltern schwand, da erinnerte ich mich all der Wanderungen und Wochenendspaziergänge, der Märsche durch die Museen und Stadtviertel, unser grenzenloses Durchlaufen des uns neueröffneten Ostberlins, unsere Reisen, allem, was eben mit Beweglichkeit zu tun hat.
Ich wollte es anfangs nicht wahrhaben, dass all dies unwiederbringlich vorbei und auch nicht wiederholbar war, auch nicht umkehrbar. Ich konnte sie nicht ins Auto setzen und mit ihnen die Reisen machen, denn sie wurden alt und müde und sie verloren auch ihre Kräfte und wollten einfach zur Ruhe kommen.
Ich erinnere mich gut der hilflosen Bemühungen meines Bruders, ihr Leben lebendiger zu gestalten, sie wollten das nicht.
Und dann begann auch meine Lebensgefährtin unheilbar krank zu werden und vor allem ihre Beweglichkeit und Lebenskräfte schwanden.
Spätestens jetzt war klar: Ich bin beweglich und darf es sein und ich darf dafür eigenen Wege gehen und ich muß dies mit anderen Menschen oder alleine tun. Seither tanze ich um mein Leben und gehe jeden Tag eine Stunde spazieren.
Und ich akzeptierte, dass Rollstuhl und Rollator Einzug in unser aller gemeinsames Leben Einzug hielten. Ich liebe es, meine Freundin flexibel durch die Stadt und Parks und Natur zu schieben und sie bei mir zu haben und ich kann das Alleine in Bewegung leben ebenso genießen.
Meine Eltern gemeinsam nebeneinander mit ihren Rollatoren laufen zu sehen rührt mich an. Sie tun alles für ihre Unabhängigkeit und haben leider nicht gelernt, sich Hilfe zu holen und dies als verbindenden Reichtum in ihrem Leben zu spüren. Aber da müssen sie eben durch, wir Kinder können dies nicht aufhalten. Ich lerne grade, dies auszuhalten und den Raum dahinter irgendwie zu halten und alle Grenzen zu wahren und zu retten, wo Rettung gefragt ist.
Meine Mutter ist jetzt seit drei Wochen im Krankenhaus und mein Vater fragt sich jeden Tag, ob er sie für immer verliert. Sie sagte vor kurzem zu ihm: “Manfred es ist nicht ausgemacht, dass Du an meinem Grab stehst.“ Dieser Satz ermunterte ihn etwas.
Meine Mutter ist acht Jahre älter als er. Als er ihr auf ihre Nachfragen so ein bisschen seinen Alltag beschrieb, während sie im Krankenhaus liegt, wurde deutlich, dass er leicht mal etwas verschludert oder vergisst und er machte auch kein Hehl daraus.
Sie aber klatschte empört in die Hände und rief aus: „Mensch was sollen wir denn da erst machen, wenn ich mal in dein Alter komme.“
Das war dann sozusagen der Knüller der Woche und mein Bruder und ich lachten uns schlapp und sie beide lachten auch.
Wir wissen nicht, ob sie wieder Nachhause kommt…
Ihre Seele weiß nicht mehr so recht wofür…
Die Ehe alleine reicht nicht mehr aus…
Die Kinder sind auch kein Grund…
Wir Kinder erleben das Ende der Kraft und erkennen die Natürlichkeit darin, niemand nimmt es mehr persönlich, auch mein Vater akzeptiert die Begrenztheit vom Leben...
Vielleicht sind wir alle grade an einem Wendepunkt…
Mein Vater sagte kürzlich unter Tränen, und mir fiel auf, dass ich ihn noch nie hatte weinen sehen:
„Ich kann mir gar nicht vorstellen, an ihrem Grab zu stehen und andere wollen mir ihr Beileid aussprechen. Das halte ich doch gar nicht aus. Da will ich alleine sein.“
Wenn ich ehrlich bin, kann ich ihn sehr gut verstehen und das sagte ich ihm aus. Wir müssen alle nicht tun, was wir nicht wollen.
Und deshalb hatte ich vor kurzem diesen noch angehängten Text geschrieben:




Wenn Du stirbst…
Ich drehe Dir eine Honigkerze…
Ich suche Deine Fotos…
Ich finde Fotos mit Dir, Vater und mir…
Ich finde Fotos, auf denen Du mich anlächelst…
Ich erinnere mich an meine Liebe zu Dir…
Ich spüre etwas von der alten Liebe, von der Liebe, die alle Kinder    immer in sich tragen, auch wenn es schlimm wird im Leben…
Ich sehe Dein junges lachendes Gesicht und erinnere mich nicht daran, Dich in den letzten Monaten so lachen gesehen zu haben…
Welche Träume hattest Du im Leben?
Welcher Mut trieb Dich an?
Woran hast Du festgehalten?
Woran hältst Du jetzt noch fest?
In welchen Tiefen sitzt Deine Liebe?
Ich entzünde die Honigkerze…
Ich denke an Dich…
Ich weiß nicht, wie ich mich danach fühlen werde…wenn es vorbei ist…
Jetzt ziehen die Gewitter auf…grelle Blitze…im Herbst eher ungewöhnlich…
Dass Du stirbst, wie Du gelebt hast, immer kämpfen, immer Kontrolle, kein Vertrauen, keine Ruhe, kein Frieden…
Ich schaue in die Flamme und suche meinen Frieden…
Unseren Frieden erinnere ich…unsere langen Spaziergänge…unsere Liebe zur Kunst, Lesen, Bücher…
Ich schaue ins Licht der Kerze…
Ich schicke Dir Frieden, meinen Frieden schenke ich Dir…
Ich wünsche Dir Ruhe…
Ich wünsche Dir Schmerz frei…
Ich wünsche Dir Freiheit…mir auch…
Uns? Uns auch…
Die Honigkerze brennt weiter…im Licht ist Freiheit…
Vielleicht werfen wir deine Asche in den Wind und spüren auch da die Freiheit für Dich und uns…